Hofmanusthal als Lyriker. - 927
Eine gewisse Vergeistigung, eine zunehmende Neigung zu immernoch intensiverer Verarbeitung der Eindrücke, ein stärkeres Hervor-treten der inneren Natur ist bei der neuen Trilogie der alten gegen-über sichtbar; in die gleiche Richtung weist schon der Titel derdritten Sammlung „Das Jahr der Seele " (1898, zuerst mit höchstcharakteristischer, von Melchior Lechter entworfener Ausstattung er-schienen). Hier werden die Töne mehr lyrisch im engeren Sinne,das Symbol tritt zurück, der direkte Ausdruck wird deutlicher:
Es lacht in dem steigenden Jahr dirDer Dnft aus dem Garten noch lcis',Flicht in das flatternde Haar dirEppich nnd Ehrenpreis.
Die wehende Saat ist wie Gold noch,Vielleicht nicht so hoch mehr und reich,Rosen begrüßen dich hold noch,Ward auch ihr Glanz etwas bleich.
Verschweigen wir, was uuS verwehrt ist,Geloben wir glücklich zu sein,Wenn auch nicht mehr uns beschert istAls noch ein Rundgang zu zwein. . .
Neben Stefan George steht Hugo von Hofmannsthal (geb. 1874). Er ist als Lyriker weicher, fast weiblicher als jener.Während George trotz seiner Schulung an zeitgenössischen Meisternvon Einzelanklüngen merkwürdig frei ist, begegnen uns bei Hof-mannsthal zuweilen Töne aus Goethe, aus I. P. Jacobsen , auchwohl aus George — immer freilich zu eigenem Besitz verarbeitet.Der wesentlichste Unterschied ist aber ein technischer. Georges Visionensind architektonisch, mit breiten Bäumeu, tiefem Hintergrund; Hof-mannsthal erscheinen die Dinge als Basreliefs, wie in der sehrschönen „Idylle", oder als Gemälde, wie in seinem berauschendschöucn „Tod des Tizian ". Seine Phantasie ist von deu bildendeuKünsten stärker geschult, vielleicht auch etwas gebunden. Er reflek-tiert auch mehr, greift bewußt zum Symbol und schafft sein Schönstes,wo ein tief andeutender Sinn seiner Dichtung gleichsam die dritteDimension verleiht. Stefan George hätte die „Ballade des äußerenLebens" nicht dichten können, die das Märchenspiel des alltäglichenLebens so tiefsinnig zu einem Fries spielender Putten und stilisierterOrnamente formt.
Neben Stefan Georges Objektivität erscheint HofmannsthalsSubjektivität „sentimentalisch" im Sinne Schillers. Für Stefan