9go 1890-1899.
ein verständnisvoller Kritiker und außerdem ein geistvoller Grüblerüber die „Anfänge der Poesie" (1889); sonst nicht eben eine starkeNatur, die in ihren orientalisch verkleideten Komödien und Er-zählungen („Dijab der Narr" 1894, „Der kluge Scheikh" 1897)bei geringerer Eleganz und bestimmterer Charakterzeichnung anLudwig Fulda erinnert; und der begabte Börries von Münch-hausen (geb. 1874: Gedichte 1896), der in der ganzen Haltungseiner Lyrik, in der Bevorzugung der Ballade, in gewissen Klang-wirkungen noch weiter zurück auf die Einflüsse von Strachwitz undFontane weist. Auch Anna Ritter (geb. 1865: Gedichte 1898)gehört hierher, deren anmutiges Talent mir freilich überschätzt scheint.
Nicht verdienter erscheint mir der Nimbus, mit den: man eineZeitlang das Haupt der Johanna Am brosius (geb. 1854 zu Leng-wethen in Ostpreußen ) nmgab. Verstummt ist der berühmte „Ambro-sianische Lobgesang", der nach Erscheinen ihrer Gedichte (1894:36. Auflage 1898!; zweite Sammlung 1897: 5. Auflage 1898)von einigen Iiowine8 nov^rura reruiii ouxiäi angestimmt wurde;übrig blieben ein paar herzliche Lieder mit leichtem Rhythmus(„Sommernacht", „O lieb' auch du") und ein anständiges Maßguter Mittelware. Nichts blieb von dem „Wunder". Daß eine vondeutschen Volksliedern und noch mehr (worauf Heinrich Singer auf-merksam machte) von litauischen „Dainos " erfüllte Luft übereinem schwermütig stillen Lande, daß schwere Schicksale auch eineFrau aus den bäuerischen Kreisen zum Dichten anregen konnten,das war doch wohl ein Wunder nur für jene Übergebildeten, diedas ganze Rüstzeug ihrer Kultur mit der vollen Naivität des civi-lisierten Menschen als etwas Unentbehrliches ansehen. Freilichverrät sich die Landschaft außer in der Grundstimmuug nirgends inden Gedichten; wie viel mehr haben selbst „Bildungsdichter" wieFreytag oder Spielhagen von ihrer Heimat als die ostpreußischeBäueriu! von den modernen im Lokalton wurzelnden Talenten wieHalbe, Dreyer, Clara Viebig, wie Walther Siegfried, Helene Böhlau ,den Wienern gar nicht erst zu sprechen! Wo findet man in denGedichten der Johanna Ambrosius das, was wir im volkstümlichenLied vor allem suchen: den eigentümlichen Duft der Heimaterde?Gerade diese Dichtung hat ihre wahre Heimat in der „allgemeinenBildung", der man sie entgegenhalten wollte: in der Lektüre derverbreitetsten Dichter und vor allem der „Gartenlaube", in demNachsprechen von ein paar trivialen Metaphern: