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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Willisens Beschwichtigungsversuche in Posen 35

Mit Truppenbildungen hatte das polnische Nationalkomitee, das über1>ie Interessen und Wünsche der großen deutschen Minorität kurzerhandhinwegging, bereits begonnen. Am 23. März traf Mieroslawski in Posenein und übernahm den Oberbefehl. In Berlin tat sich ein Werbebureaufür die polnische Armee auf und ward geduldet. Dies alles geschahunter den Augen der preußischen Militär- und Zivilbehörden.

Willisen sagte den polnischen Führern ein eigenes Landwehrkorps undein Freiwilligenkorps mit wählbaren Offizieren zu. Beide sollten die Far-ben des Großherzogtums sichren und auf den Großherzog vereidigt werden.Die Kriegsuntauglichen, die sich bei den Ansammlungen eingefunden hatten,wurden in die Heimat zurückgeführt, die kriegstauglichen Mannschaften inden vier Lagern von Wreschen , Nvns, Pleschen und Miloslaw gesammelt.4 Bataillone und 4 Eskadrons an aktiven Truppen sollten ganz polnischerNationalität sein und der 10. preußischen Division dauernd einverleibtwerden. Am 11. April hatten die polnischen Führer an 18000 Mannunter Waffen, wovon jedoch die Hälfte nur mit gerade gereckten Sensenbewaffnet waren.

Von dem in der Provinz Posen und Niederschlesien stehenden V. preußi-schen Armeekorps war inzwischen am 3. April ein mobiles Korps von9^ Bataillonen, 10 Eskadrons und 18 Geschützen unter dem Generalv. Blumen gebildet, die Bataillone nahezu auf Kriegsstärke gebracht wor-den. Posen und einige Provinzialstädte blieben besetzt. Bei dem geringenStande des Armeekorps an aktiven Truppen waren damit die verfügbarenKräfte erschöpft. Vom benachbarten II. Armeekorps wurden deshalb vonGraudenz und Bromberg aus fliegende Kolonnen gegen Süden vorgeschoben,allmählich verstärkt und unter einheitlichen Befehl des Generals v. Wedellgestellt.

In den unruhigen und den ihnen nächstgelegenen Bezirken berief mandie Landwehrbataillone ein. Trotzdem sie zum größeren Teil aus polni-schem Ersatz bestanden, blieben sie ihrer Pflicht getreu. Fahnenfluchtzeigte sich nur in ganz geringem Umfange.

In ähnlicher Art, wie von Norden her Truppen des II. Armeekorps,wurden von Süden solche des VI. ins Posensche vorgeschoben. Eswaren 28 Kompagnien, 3^ Eskadrons und 4 Geschütze unter Oberst-leutnant v. Bonin.

Bei der sonderbaren Lage, welche durch die königlichen Zugeständnisseund durch General v. Willisens Abmachungen mit den Polen geschaffenworden war, konnten die Truppen zunächst nichts anderes unternehmen,als die polnischen Lager überwachen und das Land, wo vielfach die

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