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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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II. Die Sturm- und Drangjahre von 18481350

Alle polnischen Untertanen Rußlands, Österreichs und Preußens solltengleichzeitig zum Aufstande gebracht werden. Im Jahre 1846 zeigten sichdie ersten Spuren dieser Wühlarbeit an der Oberfläche des staatlichenLebens. In der Nacht zum 22. Februar unternahmen polnische Ver-schwörer einen kläglich scheiternden Versuch, sich der Stadt Preußisch-Stargard zu bemächtigen, und bald darauf folgte ein ähnlicher Anschlagin Posen, der den Zweck hatte, diese damals neu erbaute und sehr starkeFestung in polnische Hände zu liefern. In Krakau, dem durch den WienerKongreß geschaffenen kleinen polnischen Freistaat, brachen Unruhen aus,denen zufolge österreichische, russische und preußische Truppen einrückten,um dem letzten Rest polnischer Selbstherrlichkeit ein Ende zu bereiten.

Im Posenschen führten die eingeleiteten Untersuchungen zur Entdeckungeiner weitverzweigten Verschwörung und zur Verhaftung von 254 Ver-dächtigen, deren Prozeß am 2. August 1847 begann. Allgemeine Erregungin der Hauptstadt begleitete ihn. Auch die Unruhen vom 18. März 1848waren von der Beimischung polnischer und sonstiger fremder Agitationnicht frei.

Als am 20. März die Nachricht von dem in Berlin Geschehenen zuPosen eintraf, bildete sich sofort ein Komitee zur neuen Organisation der Pro-vinz auf nationalpolnischer Basis, obschon diese Provinz neben ihren 780 000Polen nicht weniger als 570 000 deutsche Bewohner zählte. Die in Berlin Verhafteten wurden freigelassen. Eine Proklamation des als polnischerAgitator in Berlin tätigen Dr. Liebelt verkündete, daß das Berliner Volkdie Freiheit der gefangenen Brüder bewirkt habe, und daß die Wiederauf-erstehung des polnischen Reiches allgemeiner Wunsch sei. Tatsächlich hatdas Frankfurter Vorparlament auch bald danach in einem Aufrufe dasdeutsche Volk gemahnt,die Schmach der Teilung Polens von sich abzu-wälzen und den Polen ihr Vaterland zurückzugeben".

Am 22. März hielt ein Teil der Entlassenen seinen feierlichen Einzugin Posen, und am Abend war die Stadt festlich beleuchtet. Unbegreif-licherweise war am gleichen Tage der dort seit 1846 noch bestehende Be-lagerungszustand aufgehoben und das Einschreiten der Behörden dadurcherschwert worden. Bei der entstehenden allgemeinen Begriffsverwirrungscheint an ein solches aber auch gar nicht gedacht worden zu sein.

Am 24. März erlangte eine polnische Deputation vom Könige in Berlin weitgehende Zugeständnisse, die sogar die Aufstellung eines eigenen polni-schen Truppenkorps umfaßten. Der in polnischen Kreisen gut bekannteund beliebte General v. Willisen wurde als Königlicher Kommissar nachPosen entsendet, um den neuen Zustand der Dinge zu regeln.