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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Erste Unruhen in Baden

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vereine bildeten sich, die ihre Verzweigungen nach Frankreich und derSchweiz hinein erstreckten, und die eine freie Verfassung, Vernichtung allerbisherigen Autorität und Einigung Deutschlands durch eine allgemeineVolkserhebung anstrebten.

Baden , wo seit 1839 ein unbeliebtes Ministerium die Unzufriedenheitbesonders stark erregt hatte, wurde der Herd für die gesamte politischeBewegung, soweit sie revolutionärer Natur war. Auf seinem Boden bil-deten sich über 400 Klubs mit mehr als 60 000 Mitgliedern, deren ein-heitliche Organisation und Tätigkeit der Advokat Lorenz Brentano über-nahm. Neben ihm traten Hecker, der Führer der Radikalen im badischenLandtage, und dessen Freund und Gesinnungsgenosse Struve als Schürerder Unruhen und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt hervor. Be-gabte und verwegene Frauen wurden ihnen zu energischen Helferinnen.Volksversammlungen in Mannheim, Offenburg und Heidelberg gebärdetensich als Inhaber der höchsten obrigkeitlichen Gewalt; die junge Mannschaftübte sich allerorten unterLeitmännern" in den Waffen. Volkswehrenbegannen sich zu bilden. Die Vorspiegelung, für die Durchführung derkünftigen Reichsverfassung zu wirken, verlieh in den Augen der erregtenMassen dem wüsten Treiben den Anschein der Legalität.

Hecker hielt den Augenblick bereits für gekommen, um Gewalt zu brau-chen. Er begann im April 1848 von Konstanz am Bodensee aus an derSpitze von Freischaren einen Zug zur Jnsurgierung des ganzen Badener Landes. Die badische Regierung hatte sich inzwischen an den Bund ge-wendet, und der Großherzog Leopold den niederländischen General v. Ga-gern an die Spitze seiner Truppen gestellt. Bei Kandern im Schwarz-wald stieß er mit einer Abteilung Badener und Hessen am 20. April aufHecker, versuchte zu vermitteln und ward dabei erschossen. Die Seinensprengten hierauf in kurzem, unbedeutendem Gefecht den Heckerzug, dessenFührer, von seiner Frau begleitet, auf Schweizer Boden flüchtete. Struve,der zur Unterstützung Heckers herbeigeeilt war, erlitt erst bei Steinen imWiesetal nördlich von Lörrach eine Schlappe und wurde dann am 23. Aprilbei Günterstal nahe südlich Freiburg durch den badischen General Hoff-mann leicht geschlagen und verjagt. Herwegh , der seine Hilfe bis dahinvergeblich angeboten hatte, kam mit einer Freischar von 800 Mann ausFrankreich herüber, traf aber am 27. April mit einer württembergischenKompagnie zusammen und hatte das Schicksal seiner Freunde. Die Hälfteseiner Truppen wurde gefangen; er selbst entkam, nebst Gattin, wie dieübrigen Freiheitshelden, glücklich auf Schweizer Boden. Das unruhigeFreiburg war schon am 24. von Bundestruppen wieder besetzt worden.