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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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II. Die Sturm- und Drangjahre von 18481850

verhöhnt, mißhandelt oder verwundet. Der Ausruhr nahm in den folgen-den Tagen seinen Fortgang. Am 12. Mai mußte der persönlich herbei-geeilte Kriegsminister, General Hoffmann, die Festung verlassen; die Torewurden geschlossen, die Wälle besetzt, Vorposten ausgestellt. Die Mann-schaft wählte einen eigenen Kommandanten. Abordnungen reisten zurneuen großen Landesversammlung nach Offenburg , welche die Schicksaledes Volkes in die Hand nehmen sollte.

Der Abfall breitete sich nunmehr mit Schnelligkeit weiter aus. Am11. Mai war Freiburg dem Beispiele Rastatts gefolgt. Die Besatzungenvon Lörrach, Kehl und der Grenze schloffen sich der Bewegung an. InKarlsruhe wurde der Aufruhr am 13. Mai durch zwei von Bruchsal zurVerstärkung herangezogene Kompagnien zum Ausbruch gebracht, welche,schon vorher für die Sache der Erhebung gewonnen, sich trunken in derStadt zerstreuten und die eben auf die Reichsverfassung vereidigten übrigenTruppen zum Aufruhr brachten. Bei dem Versuch, die Meuterer in einerder Kasernen zur Ruhe zu bringen, geriet Prinz Friedrich von Baden der nachmalige Großherzog in Lebensgefahr und wurde nur mühsamgerettet. Großherzog Leopold und ein kleiner Truppenrest verließen amAbend die Residenzstadt, die Ministerien folgten. Die badische Regierungwurde nach Frankfurt a. M. verlegt, die Reichsgewalt und Preußen umHilfe angerufen.

Baden befand sich also in den Händen der Aufständischen. Der schonzuvor in Offenburg gebildete Landesausschuß hielt am 14. Mai seinenfeierlichen Einzug in Karlsruhe und übernahm, unter Brentanos Vorsitz,die Regierung.

Am 17. Mai wurde die Vereinigung der Rheinpfalz mit Baden aus-gesprochen und beide in militärischer Hinsicht für ein Land erklärt.

Die von ihren Truppenteilen entfernten Soldaten und Offiziere erhieltendie Aufforderung, zur Fahne zu eilen. Die fehlenden Offiziere wurdenernannt, die Verwaltung 64 Zivilkommissaren unterstellt, eine Art Mini-sterium gebildet. Die Wiederherstellung des Heeres begann sogleich. Außerden vorhandenen S Jnfanterieregimentern, 3 Dragonerregimentern, 3 Fuß-batterien und einer reitenden, zusammen 12000 Mann, errichtete manSV Bataillone Volkswehr in Baden, 25 in der Rheinpfalz. Hierzu tratennoch Freischaren, bewaffnete Turner usw. Tatsächlich verfügten die Auf-ständischen beim nahen Ausbruche der Feindseligkeiten in Baden über rund30 000 Mann mit 60 Geschützen, in der Rheinpfalz über 12 000 Mann.Geldmittel fanden sich hinreichend in den Staatskassen vor; der bis dahinsehr kärgliche Sold der Truppen erfuhr eine Aufbesserung.