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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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II. Die Sturm- und Drangjahre von 18481850

Unterkunft für 10 000 Mann. 200 Geschütze standen auf den Wällen.Diese hatten ein bedeutendes Profil und vorzügliches Mauerwerk; zumTeil waren die Gräben naß. Die Besatzung belief sich auf rund 6000Mann, für welche Lebensmittel auf 3 Monate vorhanden waren. Gouver-neur war ein früherer badischer Offizier v. Tiedemann.

Am 2. Juli hatte sich die Einschließung vollzogen. General v. d. Groebenforderte die Besatzung zur Übergabe auf, die jedoch zurückgewiesen wurde.Ein Belagerungspark sollte ans Koblenz herangezogen werden. Einstweilenwurden Flachbahn- und Steilfeuergeschütze aus Germersheim, Mannheim und Karlsruhe vor die Festung gebracht.

Am 7. Juli 2 Uhr früh begann die Beschießung. Sie dauerte 4 Stunden,setzte einige Häuser in Brand, tötete mehrere Leute und trieb Bewohnerund Besatzung in die Kasematten. Am nächsten Morgen zur gleichenStunde wurde sie wieder aufgenommen, hatte auch das gleiche Ergebnis.

Von der Festung her wurden Ausfälle unternommen, von denen einersogar erfolgreich war, die aber doch zu erheblicheren Verlusten führten,als die meisten Gefechte in freiem Felde. Am 8. nachmittags wurde dasDorf Niederbühl, südöstlich der Stadt, von der Festungsartillerie in Brandgeschossen.

Die Aussichtslosigkeit der Verteidigung war den Eingeschlossenen klar,als die ersten Nachrichten von den Vorgängen im Süden zu ihnen drangen.Die Unzufriedenheit wuchs; eine zufällig sich darbietende Gelegenheit wurdezur Anknüpfung von Unterhandlungen benutzt und Oberstleutnant v. Corvin^früherer preußischer Offizier, mit Genehmigung des Generals v. d. Groebenaus^der Festung entsandt, um sich vom Stande der Dinge draußen zuüberzeugen. Er reiste bis nach Konstanz, kehrte am 21. Juli nach Rastatt zurück und berichtete, daß die revolutionären Truppen sämtlich nach derSchweiz übergetreten seien. Hoffnung auf Entsatz war nicht mehr vor-handen, an ein Durchschlagen nicht zu denken und die Kapitulationwurde beschlossen. Nach kurzen Verhandlungen ergab sich die Besatzung,noch 171 Offiziere, 5596 Mann stark, mit 301 Geschützen und 4600 Ge-wehren auf Gnade und Ungnade.

Damit war diese trübselige Parodie eines Krieges beendet, die hier einenPlatz nur deshalb verdient, weil der Bericht als Hintergrund für diekommenden Ereignisse notwendig ist. Wer die Periode kriegerischen Auf-schwunges von 186070 in ihrer ganzen Bedeutung erkennen will, mußden Blick zu den Jahren des Wirrwarrs von 184850 zurückwendenund sich vor Augen halten, was damals geschehen war. Nur 17 Jahrevor Königgrätz sehen wir starke Teile der preußischen Armee Krieg führen