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III. Die Zeit des Stillstandes
nur Preußen, sondern ganz Deutschland vor dem unabsehbaren Wirrsalder Revolution bewahrt. Das bleibt für sie ein neuer Ruhmestitel.
Um aber zugleich die deutsche Frage zu lösen, aus dem Staatenbundemindestens einen Bundesstaat mit starker Zentralgewalt zu machen, fehlteihr die notwendige Kraft.
Der Ablehnung der Kaiserwürde durch König Friedrich Wilhelm IV. folgte der Versuch der Bildung eines engeren Bundes mit Preußen ander Spitze, zu dem die ausscheidenden Staaten immerhin in näherer Be-ziehung hätten bleiben können. Der König, vom älteren Rechte des HausesHabsburg durchdrungen, hätte diesem die Kaiserkrone gegönnt. Er bean-spruchte jedoch für sich die Stellung eines obersten Feldherrn. Aber Öster-reich erklärte von vornherein, daß es sich über sein Verhältnis zu einemBundesstaate, der noch gar nicht existierte, nicht aussprechen könne. Baldsprach sich auch Bayern gegen diese Lösung aus. Von den stärkeren Bundes-gliedern hielten sich Sachsen und Hannover allein an Preußen , und dasso sich bildende Dreikönigsbündnis stellte allen Mitgliedern des bisherigenDeutschen Bundes den Beitritt zu einer deutschen Union frei, in der Preußen die militärische und diplomatische Führung haben würde. Eine nach Erfurt zu berufende Reichsversammlung sollte die Verfassung beraten und mitden verbündeten Regierungen vereinbaren. Die meisten kleineren Staatenerklärten den Beitritt. Der Reichsverweser legte seine Würde am 20. De-zember 1849 in die Hände einer Bundeskommission nieder. Mit derSprengung der Trümmer der ehemaligen Nationalversammlung, die sichzu Stuttgart vollzog und dem Verschwinden der Neichsverweserstelle nahmder erste, 1848 begonnene Versuch zur staatlichen Wiederbelebung Deutsch-lands ein ruhmloses Ende. Das Erfurter Parlament führte die Beratungrasch durch. Ein Fürstenkongreß wurde zum 8. Mai 1850 nach Berlin geladen, um das Ergebnis zu prüfen. Aber die beiden Königreiche hattensich schon vorher losgelöst, als die Gefahr einer Revolution nicht mehr sodrohend, Preußens Hilfe weniger nötig erschien. Mehrere der anderenFürsten ließen es zweifelhaft, ob sie bei der Union beharren würden, undauch Preußen betrieb sie nicht mehr mit dem Eifer, der ernsten Willenhätte erkennen lassen. So blieb auch dieser zweite Versuch ohne Erfolg;der Fürstenkongreß gelangte zu keinem bestimmten Entschluß.
Der Augenblick für Österreich war gekommen. Eine Gesamtverfassunghatte, nach der Niederwerfung Ungarns , dort dem Willen der RegierungAusdruck gegeben, das Reich wieder zu einem straff zusammengefaßten Ein-heitsstaat zu machen. Auch im Deutschen Bunde sollte die alte Stellungwiedergewonnen werden. Ohne Rücksicht auf Preußens bisherige Be-