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sei. Das bewiesen erneut gerade jetzt wieder Österreichs großdeutscheBestrebungen. Für den Krieg brauchte er vorerst Sicherheit gegenRußland , ohne dessen Parteinahme es vielleicht schon 18S0 zur bewaff-neten Auseinandersetzung gekommen wäre. Die günstige Gelegenheit botder polnische Aufstand, der im Februar 1863 ausbrach. Durch das An-erbieten rückhaltloser Unterstützung hinderte Bismarck in Petersburg einePolitik der Nachgiebigkeit und Versöhnung, zu der das Wohlwollen KaiserAlexanders II. anfänglich geneigt war. Die preußischen Grenzen gegenPolen wurden sofort von Truppen besetzt und gesperrt, Zuzug unmöglichgemacht. Sodann folgte noch in demselben Monat ein Vertrag mit Ruß-land über Auslieferung polnischer Flüchtlinge, der nicht nur in Westeuropa ,sondern auch im ganzen liberalen Lager Deutschlands einen Sturm derEntrüstung hervorrief und dennoch die Grundlage für das Gelingen derpreußischen Politik wurde. Auch mit der ungarischen Emigration nahmBismarck Beziehungen auf. Er dachte in dieser Hinsicht revolutionärerals die Männer, die Preußens Kriegsmacht leiteten; denn selbst Moltke ,beschäftigt mit den Kriegsplänen gegen Frankreich , meinte, daß ein Kriegmit Österreich nur dem Erbfeinde zugute kommen werde.
Österreichs Mißtrauen gegen Bismarcks offen ausgesprochene Pläne warnatürlich aufs äußerste rege. Kaiser Franz Josef wurde für den Ge-danken gewonnen, den gefährlichen Absichten des preußischen Minister-präsidenten durch einen eigenen Reformentwurf vorzubeugen. Ein Bundes-Direktorium unter seinem Vorsitz sollte zu Frankfurt a. M. neben einemParlament mit beratender Stimme künftig die Geschicke des uneinigenDeutschlands regieren. Diesem Vorschlage, so meinten die Urheber, könnesich auch Preußen nicht entziehen, wollte es seine Popularität in Deutsch-land nicht gänzlich verlieren.
Ganz anders aber dachte Bismarck , der die Falle auf den ersten Blickerkannte, die Preußen gelegt werden sollte. Er setzte es, freilich erst nachhartem Kampfe, durch, daß König Wilhelm seine Teilnahme verweigerte.Die Dinge begannen sich zum Konflikte zuzuspitzen, als ein unerwartetesEreignis dazwischentrat.
5. Die Bundesexekution in Holstein
Am 15. November 1863 starb König Friedrich VII. von Dänemark, ohneeinen unmittelbaren Erben zu hinterlassen. Die Thronfolge in Schleswig-Holstein war wieder zweifelhaft. Nach dem Königsgesetz von 1665 konntein Dänemark die Glücksburger Linie des holsteinischen Gesamthauses,