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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Die Thronfolgesrage in Schleswig-Holstein

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deren Anwartschaft durch die weibliche Linie vermittelt war, den Thronbesteigen. In den Herzogtümern, wo nur der Mannesstamm erbberechtigtwar, hatten die Augustenburger den ersten, wenn auch nicht unbestrittenenAnspruch. Der Friede, den Preußen am 2. Juli 1850 in seinem unddes Bundes Namen mit Dänemark geschlossen hatte, ließ die Frage un-erledigt. Nachdem König Friedrich VII. jedoch am 28. Januar 1852eine Neuordnung der dänischen Staatsverhältnisse verhießen hatte, die bei-den Teilen der Monarchie gerecht werden würde, verbrieften die fünf Groß-mächte und Schweden durch das sogenannte Londoner Protokoll die Unteil-barkeit der dänischen Monarchie. Aber Dänemark hatte seitdem die Verpflich-tungen nicht gehalten, welche ihm zur Schonung der staatsrechtlichen Selbst-ständigkeit und der nationalen Eigenart der Herzogtümer auferlegt waren, undzwar sowohl bezüglich Holsteins, das zum deutschen Bunde gehörte, wie auchSchleswigs, das von Holstein nie getrennt werden sollte. Die in Kopen-hagen herrschende eiderdänische Partei leugnete jedes Recht Deutschlands auf Schleswig und betrieb mit Leidenschaft den Erlaß einer Verfassung,welche Schleswig ohne weiteres in sich schließen, also den dänischen Ein-heitsstaat bis zur Eider ausdehnen sollte. Unter dem Druck der öffent-lichen Meinung und bedrohlichen Volkskundgebungen genehmigte KönigChristian IX., der in Dänemark auf dem Throne folgte,unter schwerenBedenken" die Verfassung. In ganz Deutschland wurde dies widerrecht-liche Vorgehen als eine Herausforderung angesehen; ein Sturm der Ent-rüstung erhob sich. Erbprinz Friedrich von Augustenburg , dessen VaterChristian freilich für sich und seine Nachfolger auf seine Ansprüche zu-gunsten der dänischen Linie verzichtet hatte, trat, da er diesen Verzichtnicht anerkannt habe, sofort für seine Rechte als Herzog von Schleswig-Holstein ein. Fast das ganze Deutschland stand dabei auf seiner Seite.Auch der Großherzog von Oldenburg erhob Einspruch. Früher schonhatten das Sachsen-Ernestinische und das Mecklenburgische Haus Verwah-rung eingelegt, der deutsche Bund aber die Londoner Abmachungen über-haupt nicht anerkannt. Er befand sich der schleswig-holsteinischen Fragegegenüber also in anderer Lage, wie Preußen und Österreich .

Bismarck hatte schon um ein Jahrzehnt früher, als er noch Bundestags-gesandter in Frankfurt war. sich dem Ministerpräsidenten v. Manteuffelgegenüber geäußert, daß man die schleswig-holsteinische Frage so lange hin-haltend behandeln solle, bis man das Land nicht bloß vom dänischen Jochebefreien, sondern auch für Preußen erwerben könne. Dieser günstige Augen-blick konnte jetzt vielleicht eintreten. Damit, daß seine Benutzung möglicher-weise die ganze deutsche Frage aufrollen werde, rechnete er selbstverständlich.

Frhr. v. d, Goltz, Kriegsgeschichte II 14