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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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VI. Die Kämpfe um Deutschlands Einigung

Zunächst durfte Preußen den Prinzen Friedrich nicht anerkennen, wennkein Zweifel an seiner Vertragstreue aufkommen sollte; denn es hatte dasLondoner Protokoll mitunterzeichnet. Das preußische Abgeordnetenhaus,dauernd in seiner Verblendung beharrend, erklärte am 2. Dezember 1863,daß die Ehre und das Interesse Deutschlands die Anerkennung des Her-zogs Friedrich verlangten".

Aber Preußen erklärte sich bereit, Dänemark zur Erfüllung seiner ausdem Londoner Protokoll sprossenden Verpflichtungen zu zwingen, und rüstete.Österreich , gleichfalls Mitunterzeichner, konnte in einer gemeindeutschen An-gelegenheit nicht zurückstehen. Es erkannte König Christian IX. als Erbensowohl Dänemarks als Schleswig-Holsteins an, forderte aber für dieHerzogtümer die gesonderte Verfassung.So traf die österreichische mitder preußischen Politik nach vieljährigem Gegensatze an einem Punkte zu-sammen." Bismarck begrüßte diese Übereinstimmung mit lebhafter Freude;denn nur wenn Österreich und Preußen zusammengingen, konnte Schles-wig-Holstein dem Neide der anderen Großmächte zum Trotz gewonnenwerden. Was später geschehen sollte, blieb der Zukunft überlassen.

Der deutsche Bund, der das Londoner Protokoll nicht unterzeichnethatte, war deshalb auch nicht verpflichtet, für die Unteilbarkeit Däne-marks einzutreten und frei, die Erbfolge des Prinzen Friedrich vonAugustenburg in den Herzogtümern anzuerkennen. Er befand sich dabeiin Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung Deutschlands , währendin Preußen das Abgeordnetenhaus die zur Durchführung der militärischenMaßnahmen geforderte Anleihe verweigerte, sich dadurch einmal mehr aufdie Seite der Feinde des eigenen Vaterlandes stellte und insbesondere derdänischen Kriegspartei den Rücken stärkte. Der Bund hatte außerdem einebequeme Handhabe zum Einschreiten. Seit dem November 1858 schwebteüber Dänemark die ordnungsmäßigeExekution" wegen Verletzung derRechte Holsteins. Der italienische Krieg ließ die Ausführung in den Hinter-grund schieben. Am 7. Februar 1861 aber wurde sie von neuem angedroht.Als Dänemark auf Englands Drängen einige Zugeständnisse machte, wurdedieser Beschluß am 12. August wieder aufgehoben. Die herrschende Parteiin Kopenhagen aber ging immer unverhohlener darauf aus, Schleswig ganz von Holstein und Lanenburg zu trennen, in diesen beiden Herzog-tümern die Einwirkung des Bundes zuzulassen, dafür aber Schleswig alsrein dänisch zu behandeln. Die Trennung wurde am 30. März 1863 offenausgesprochen, und durch einen Protest Österreichs und Preußens beant-wortet. Am 1. Oktober folgte ein neuer Exekutionsbeschluß, der durch dieVerkündigung des dänischen Staatsgrundgesetzes der sogenannten No-