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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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VII. Der Norddeutsche Bund

da kriegsmäßige Manöver nach preußischem Zuschnitt nicht üblich waren.Ein schwerer organisatorischer Fehler ist darin zu erblicken, daß nur wenighöhere Verbände im Frieden bestanden und sie erst bei der Mobilmachungaus dem Stegreif geschaffen werden mußten. Diese gestaltete sich dadurchzu einer wahrhaft ungeheuren Arbeit, deren Erledigung allein in denHänden des Kriegsministeriums lag.

Das schlimmste aber war, daß die Stärke des Heeres weder der Volks-zahl noch der Machtstellung Frankreichs entsprach. Die aktive Armee be-saß nur wenig Reserven, die mobile Nationalgarde keine Schulung. Siebestand zum weitaus größten Teile aus ganz unausgebildeten Mann-schaften. Es fehlten ihr Stämme, Bekleidung und Ausrüstung. NachAbzug eines Beobachtungskorps au der spanischen Grenze sowie der Be-satzungen von Rom und Algier konnte Frankreich in vorderer Linie gegenden auswärtigen Feind zunächst kaum 300000 Mann verwenden. Moltkehatte recht gehabt. Es war dem Norddeutschen Bunde in der Tat nichtgewachsen.

Vielleicht im geheimen Gefühl, daß dem so sei, hatte Napoleon III. seit1867 geheime Verbindungen mit Italien und Österreich begonnen, um mitihnen einen Dreibund gegen Preußen herzustellen. Nicht nur Österreich ,sondern auch das uns zur Dankbarkeit verpflichtete Italien gingen daraufein, und im Juui 1870 näherten sich die Verhandlungen dem Abschlüsse.Mit Österreich war schon am 2. September 1868 gerade zwei Jahrevor der Kapitulation von Sedan ein Bündnisvertragsentwurf zustandegebracht worden. Nur die Ratifikation fehlte. Doch scheint es, daß Na-poleon III. diese selbst noch hinausschob. Er wollte sich des Dreibundesnur im Notfalle bedienen. Seiner zögernden Art, die Staatsgeschäfte zuführen, hätte eine solche Haltung entsprochen. Jnnerpolitische Rücksichtenund der unfertige Zustand der Kriegsmacht ließen Österreich den Auf-schub wünschenswert erscheinen. Aber ein Briefaustausch zwischen den dreiSouveränen vereinbarte immerhin gegenseitige Unterstützung.