Druckschrift 
2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
Entstehung
Seite
427
Einzelbild herunterladen
 
  

Die französische Übermacht wird erkannt

427

geschah es doch schon zu spät, um das Schicksal des Tages noch wendeuzu können.

General v. Alvensleben hielt auf dem gefährdeten Flügel bei Vionville .Auch wenn er geschlagen werden sollte, wollte er dennoch den Gegnernicht loslassen, sondern sich an ihn hängen und ihn aufhalten, bis dieübrigen Korps der Armee heran seien, um die Niederlage der Franzosenzu besiegeln. Kein anderer preußischer General hat sich in so schwererLage befunden wie er, und er überstand sie siegreich, trotzdem er dieGröße der Verantwortung wohl empfand, die er auf seine Schultern ge-laden hatte.

Erst um ^1 Uhr nachmittags erfuhr er, daß das 10. Armeekorps zuseiner Unterstützung herankommen würde. Es war für ihn die erste Er-leichterung. Jetzt galt es, das bisher Gewonnene um jeden Preis zu be-haupten, den Feind nicht erkennen zu lassen, daß das Schicksal des Tagesnoch immer in seiner Hand lag. Mit Aufbietung aller Kräfte und trotzden größten Verlusten arbeiteten sich seine wackeren Truppen weiterhinvorwärts. Langsam gingen die Franzosen gegen die Höhe von Nezonvillezurück. Die Generale Bataille und Valaze waren drüben gefallen. DieFührer hielten ihre Lage für kritisch. Aber die herandrängende preußischeSchützenwelle war doch schon zu matt für einen endgültigen Erfolg. DasVorgehen erlahmte. Französische Gardekürassiere brachen gegen sie vor.Nun mußte in dem heftigen Geschoßhagel der Infanterie auch auf preu-ßischer Seite die Kavallerie eingreifen, um die Gefechtslinie zu halten.Zuerst ritten die 11. und 17. Husaren längs der Chaussee nach Nezon-ville an und durchbrachen feindliche Schützen und Batterien. Sie sprengtenauch den Stab Marschall Bazaines, als dieser eben damit beschäftigt war,eine Batterie zur Abwehr persönlich in Stellung zu bringen. Dies ansich geringfügige Ereigniss gewann eine große Bedeutung dadurch, daßder Marschall fast für die ganze Dauer der Schlacht vom größeren Teilseiner Umgebung getrennt blieb, und ihm die Gehilfen für die Führungfehlten.

Dann folgte die 6. Kavalleriedivision, die aber auf die soeben in derSchlachtlinie erscheinenden französischen Gardegrenadiere traf und umkehrte,ohne zum Angriff gekommen zu sein. Ihr Vorgehen hatte es indessender Artillerie ermöglicht, Gelände zu gewinnen und die Linie zwischen derNordwestspitze des Waldes von Vionville und Flavigny zu erreichen.

Um 2 Uhr nachmittags trat völliger Stillstand im Vordrängen ein-Eine bange Pause folgte. Auch jetzt noch konnte Bazaine seine Übermachtbrauchen. Die Kräfte der preußischen Infanterie begannen sich zu er-