430
VIII. Der Krieg von 1870/71
Des Prinzen leitender Gedanke war sofort, die erreichte Stellung mitdem 3. Armeekorps zu behaupten, um mit dem 10., von dem er annahm,daß es an den bisherigen Kämpfen noch unbeteiligt sei, die Offensive gegendie rechte Flanke der Franzosen zu ergreifen. Als sich herausstellte,daß dies unmöglich wäre, blieb er doch fest in dem Entschluß, zu be-haupten, was bisher gewonnen war, und den Tag abzuschließen mit einem,wenn auch nur kurzen Vorgehen. „Derjenige wird Sieger bleiben, deram längsten den Willen zum Siege behält," war seine Überzeugung, dieer damals dem General v. Stülpnagel aussprach.
Der Prinz hoffte zäher zu sein als sein Gegner Bazaine .
Um 5 Uhr nachmittags, als er Kenntnis vom Herannahen der Ver-stärkungen auf dem rechten Flügel erhalten hatte und um diesen nichtlänger besorgt war, begab er sich mit seinem Gefolge nach der Höhe süd-lich Flavigny hinter die Mitte der Schlachtlinie.
Bei General v. Stülpnagel trafen mittlerweile die 32. Brigade vom 8.und das Grenadierregiment 11 vom 9. Korps ein und wandten sich so-fort durch das Waldgelände am rechten Flügel nordwärts gegen Rezon-ville. Vom Waldrande aus gingen sie wiederholt zum Angriff gegen dasvor ihnen in der französischen Schlachtlinie gelegene weiße Häuschen(Maison dlaneke) vor. Ihre wiederholten verlustvollen Angriffe scheitertenfreilich. Aber sie erregten in Marschall Bazaine von neuem die alte Be-sorgnis, von Metz getrennt zu werden. Sie fesselten ihn und die Truppen,die er bei Gravelotte zusammenhielt, dauernd an diesen Flügel, auf demdie Entscheidung nicht lag. Die französischen Gegenangriffe wurden ebensoabgewiesen wie die preußischen Versuche zum weiteren Vordringen. Stehen-des, wenn auch heftiges Gefecht füllte hier die Abendstunden aus.
Auf dem anderen, dem linken Flügel der preußischen Linie erschien,von St. Hilaire kommend, um 6 Uhr die 38. Brigade, zur 19. Divisiongehörend, so daß nunmehr das ganze 10. Armeekorps auf dem Schlacht-felde eingetroffen war. Der Divisionskommandeur, General v. Schwartz-koppen, der die verstärkte Brigade führte, hoffte noch beim Vorgehen durchMars-la-Tour in die Flanke oder gar den Rücken der Franzosen zu gelangen.Diese aber hatten mittlerweile durch das frisch heranrückende 3. und 4. Korpsihre Schlachtlinie bis zum Bache von Jarny verlängert. So ward dieHoffnung zu einer Täuschung. Aus Mars-la-Tour östlich heraustretend,sah sich die preußische Brigade vor der französischen Front und bog linksaus, um sich gegen diese zu entwickeln. Sofort schritt sie auch zum ent-schlossenen Angriff. Zwei tiefe Mulden zwischen kahlen Hochflächen, zumTeil mit felsigen Rändern, mußten durchschritten werden. Dann befanden