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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Der ewige Friede ist ein Traum

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spruch im Sinne gehabt:Der ewige Friede ist ein Traum und nichteinmal ein schöner!"

Auch die glänzendste Medaille hat ihre Kehrseite. Wir sind überschnellreich geworden und haben angefangen, für unseren Besitz zu fürchten.Der steigende Wohlstand hat eine Verbesserung der Lebenshaltung imdeutschen Volke hervorgerufen. Das geschah nicht bloß in den oberen Schichtender Gesellschaft, sondern genau ebenso, ja vielleicht noch mehr, in denunteren Klassen der Bevölkerung. Genußsucht und Verwöhnung greifenum sich. Die gedankenlose Lehre vom Recht der Persönlichkeit, die sichein jeder nach seinem Behagen auslegt, hat diesen Prozeß beschleunigt.Von ihren Pflichten spricht man den Massen des Volkes nicht mehr, weilsie es nicht gern hören, sondern nur von ihren Rechten. Mit dem Glauben,daß man befugt ist, es sich gut gehen zu lassen, kommt allgemach die Ver-weichlichung und das Gefühl, daß es gar nicht anders sein könnte. Weit-gehende Sozialpolitik, ein über das Maß hinaus gehendes Versicherungs-wesen schützt jedermann vor kommendem Ungemach, entwöhnt von demGedanken an ein mögliches schweres Los, an Selbsthilfe und Vertrauenauf die eigene Kraft. Weder Entbehrung noch Anstrengung greifen aberKörper und Geist so sehr an, wie eine bequeme, sorglose Lebensweise,die in Deutschland leider vielfach Sitte geworden ist. Sie entnervt vorallem die Charaktere. Schon ist das Wortkriegerisch" in einen ganz un-verdienten Mißkredit gekommen. Ja, wir haben sogar die Aufforderunghören müssen:Man soll die kommenden Generationen so erziehen, daßsie zum Kriege untauglich werden, damit der Frieden, die Ruhe undder Genuß uns erhalten bleiben." Das erinnert an das Treiben jenerwahnwitzigen religiösen Sekte, die sich der eigenen Kraft beraubt. Eswäre, wenn das geschähe, Selbstvernichtung, und alles was die Väterund das heutige Geschlecht erworben haben, ginge unfehlbar wieder ver-loren. Deutschland sänke nochmals in Elend und Knechtschaft zurück, wievor Jahrhunderten, und niemand hätte Mitleid mit uns, sondern alleuns heute beneidenden Völker würden uns höhnisch zurufen:Ihr habt'sgewollt!"

Doch dahin soll es niemals kommen. Gott sei's gedankt! durch diejunge Generation weht ein frischer kräftiger Zug, der auf Ertüchtigunggerichtet ist. Sie will sich kräftigen in dem Bewußtsein, daß es ihre Pflichtist, Deutschlands Zukunft auf starken Schultern zu tragen und die Stürmesiegreich zu bestehen, die nicht ausbleiben werden. Ihr Leben soll einstolzes, ein geharnischtes Leben" sein, wie Ernst Moritz Arndt es einstfür Deutschland ersehnt hatte. Die moderne Jugendbewegung, die alle Teile