Hoffmann von FallerSleben . 149
Politiker und Polyhistor Josef v. Nadowitz (1797—1353),Friedrich Wilhelms IV. vertrauten, aber dann ausgeopferten Rat-geber, zeichneten seine Gegner gern in der Kutte eines Mönchs,weil der gelehrte und redegewandte General mit den loderndenAugen und dem starken Schnurrbart ein frommer Katholik undein Verehrer der mittelalterlichen Romantik war. Beides hat dochden Staatsmann nicht gehindert, in seinen Plänen zur EinigungDeutschlands der Ausführung Bismarcks näher zu kommen alsirgend ein anderer Politiker seiner Zeit; und es hat den Schrift-steller nicht gehindert, in seinen „Gesprächen aus der Gegenwartüber Staat und Kirche" (1846 uud 1851) klar und lebendig ge-schriebene Meisterstücke der bei uns so selten geübten Kunst dia-logischer Untersuchung zu liefern. Ein Stück Prediger ist Wolf-gang Menzel mit seiner salbungsvollen Rede nnd seiner zügellosenPolemik, an die Zionswächter der alten Orthodoxie geinahnend,während Heinrich Leo (1799—1878), Rankes Antipode in derGeschichtsforschung, wie ein streitbarer Feldprediger dem Kreuzzugder neuen Orthodoxie voranzieht. Gehörte doch der gleichen Epocheder mächtigste Volksprediger neuerer Zeit an, Thomas Carlyle (1795—1881), der schottische Prophet, der leidenschaftlich einseitigeVerkünder des Evangeliums der Kraft, der starken männergebietendenPersönlichkeit, der deutsche Mauuheit, Tugend und Tiefsinn soromantisch übertreibend verherrlichte wie einst Fr. Schlegel dieWeisheit der Inder, und der vor allem die Hanpteigenschaft tapfererPrediger besaß: unermüdlich sein Wort zu wiederholen von demEinen, was not thut.
Dieser Zeit konnten denn auch auf der wirklichen Kanzel be-deutende Prediger nicht fehlen. Zwar der gelehrteste Theolog neuererZeiten, Johann Josef von Döllinger (1799—1890), ward einstiller Gelehrter, ein Meister feiner akademischer Vorträge, ein ein-flnszreicher Historiker, aber kein Redner. Sein berühmter evan-gelischer Gegner Karl v. Hase (1800—1890) dagegen, der Führerder neueren liberalen Theologie, hat auch im mündlichen Vortragvon früh an Ungewöhnliches geleistet. Sein Hauptverdienst liegtfreilich auch in Büchern: in der glänzenden Gesamtdarstellung derKirchengeschichte wie in Einzelgemälden des heiligen Franziskus undder heiligen Katharina von Siena sichert sich der gefeierte Kirchen-historiker seinen Platz in Rankes Nähe, und seine Jngendbiographie„Ideale und Irrtümer" (1872) übertrifft in lebendigen Bildern