Der Kurfürst von Hannover war zugleich König von England . Bei einersolchen Zusammensetzung konnte nichts Neues und Einheitliches entstehen.Der Kongreß erinnerte lebhaft an die Regensburger Vorgänge von 1803,an den Handel mit deutschem Land und deutschen Leuten, den Neichsdeputa-tionshauptschluß, bei dem die weltlichen Fürsten für die Einbußen amlinken Nheinufer, das Frankreich an sich gerissen hatte, rechts des Rheinsdurch die Einziehung aller geistlichen Kleinstaaten entschädigt wurden. Eswar ein Schachern und Feilschen, wie um Viehherden und Ackergründe,das Blücher in seinem bekannten Brief an Nüchel mit den Worten gei-ßelte: „Oh, ihr Diplomatiker, ihr seid schlechte Menschenkenner! der gut^'Wiener Kongreß gleicht einem Jahrmarkte, in einer kleinen Stadt, wo einjeder sein Vieh hintreibt, es zu verkaufen, oder zu vertauschen. Wir habeneinen tüchtigen Bullen hingebracht und einen schäbigen Ochsen eingetauscht— sagen die Berliner ."
Unter diesen Umständen waren feste staatliche Formen für das wieder-erstandene Deutschland unmöglich. Nur ein locker gefügter Staatenbuuddurfte auf allgemeine Zustimmung rechnen. Er kam denn auch zustande.Nach Ausmerzung einiger kleiner souveräner Herren wie der Jsenburg,die sich durch ihren Napoleonkultus bloßgestellt hatten, traten noch 34deutsche Fürsten und 4 freie Reichsstädte zur Bildung des deutschen Bundeszusammen. Am 8. Juni 1815, kurz ehe der Donner der Kanonen an derfranzösisch-niederländischen Grenze wieder erdröhnte, unterzeichneten zuWien 33 Bevollmächtigte die deutsche Bundesakte.
Regiert sollte das fragwürdige Staatengebilde von einer Bundesversamm-lung mit 17 Stimmen werden. 11 davon gehörten den größeren Staaten;6 fielen an vereinigte kleinstaatliche Gruppen. Damit der Humor nichtfehle, war ein Duodezgebilde, Hessen-Homburg , dabei vergessen worden.Die Selbständigkeit aller Bundesstaaten wurde dadurch ausdrücklich ge-wahrt, sogar ihr Recht, auswärtige Politik auf eigene Faust zu treiben.Durch Zollschranken schlössen sie sich voneinander ab, um wirtschaftlicheSonderexistenzen zu bilden. Eifersüchtig wahrten sie die eigenen souve-ränen Rechte. Nur zu engbegrenzten Zwecken, wie der gemeinsamen Lan-desverteidigung, wurden sie miteinander verbunden. Statt des ersehntenReiches mit der Kaiserkrone war ein „völkerrechtlicher Verein" ins Lebengetreten, der niemanden befriedigte. Eine bittere Enttäuschung war allendeutsch gesinnten Männern bereitet worden.
Nach außen hin sah sich der neue Bund zu völliger Ohnmacht verur-teilt; denn bei dem Gegensatz zwischen den beiden führenden Mächten Öster-reich und Preußen, bei den Sonderinteressen Dänemarks und auch Han-
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