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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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I. Die Heere nach dem Befreiungskriege

novers, infolge der Personalunion mit England , bei der früh sich kund-gebenden Großmannssucht der kleinen Königreiche war an eine einheitlicheRichtung und ein energisches Handeln der nur äußerlich verbundenen Ge-meinschaft gar nicht zu denken. Keiner der kleinen Staaten fand beimBundestage, der zu Frankfurt a. M. seinen Sitz aufschlug, wirksame Ver-tretung. Hamburg mußte sich an fremde Mächte wenden, um seinen Handelgegen die Räubereien der Barbareskenstaaten zu schützen. Die 9 MillionenTaler, die Frankreich ehedem seiner Bank entnommen hatte, waren nichtzurückgefordert worden. Nach wie vor trugen Städte und Gemeinschaftenan den Lasten, die Napoleons Kriegskontributionen ihnen auferlegt hatten.

Während der Kriege war Preußen als der künftige Schirmvogt Deutsch-lands angesehen worden, aber dies Ansehen sank schon auf dem WienerKongreß. Zwar erhielt Preußen wieder etwa dieselbe Einwohnerzahl wievor dem unglücklichen Kriege, nämlich 10 349 000 Seelen; aber sein Ge-biet blieb erheblich verkleinert, S091 deutsche Geviertmeilen statt der ehe-maligen 5570, ohne Hannover; mit Hannover etwa 6140. Und wie sahes mit dem inneren Werte des ausgetauschten Gebietes nach damaliger An-sicht aus? Die großen, ehedem polnischen Landstriche im Osten waren,den geheimen Abmachungen zufolge, die schon beim Bündnisvertrage vonKalisch gepflogen worden waren, an Rußland übergegangen. Man schätztesie weit höher ein, als den im Westen gewährten Ersatz; denn sie hattenfruchtbaren Boden, versprachen gute Getreideernten, und diese machten da-mals noch den Reichtum des Landes aus. Sie konnten auch brauchbareRekruten stellen, lauter Söhne des Platten Landes, die tüchtige Soldatenzu werden versprachen. Die religiösen und nationalen Unterschiede derBevölkerung schlug niemand besonders hoch an. Die altbewährte preußischeMannszucht im Heere würde bald damit fertig werden. Preußen hatteals Ersatz Sachsen verlangt, um seinem Staatskörper eine kompakte Ge-stalt zu geben. Allein die Eifersucht Europas trat ihm sofort entgegen.Es erhielt nur die nördliche weniger wertvolle Hälfte, und dem Resteverblieb die von Napoleon geschaffene Königswürde, die politische Prä-tensionen weckte. Altpreußische, treue Landesteile, wie Ansbach , Baireuthund Ostfriesland gingen dauernd verloren, so sehr sie selbst auch denWiedereintritt in den alten Staatsverband wünschten. Die neu erwor-benen westlichen Provinzen Rheinland und Westphalen aber galten alseine wenig beneidenswerte Erwerbung. Aus ehedem geistlichen Herrschaftenund reichsunmittelbaren Gebieten zusammengesetzt, schienen sie wenig ge-neigt, sich dem altpreußischen Geiste und Wesen, das jenseits der Elbe vorherrschte, willig anzugliedern. Aus ihnen war, wie man wähnte, nur