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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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I. Die Heere nach dem Befreiungskriege

Zwei Geistesströmungen durchzogen in jenen Tagen die deutsche Welt,ganz entgegengesetzten Richtungen folgend.

Die Jugend und ihre Führer aus der vorangehenden Generation sahenin dem Abschluß der großen Kriege den Beginn einer kommenden Zeitfreierer Entfaltung der Kräfte des Volkes, die bis dahin durch die zunächstliegende kriegerische Aufgabe der Niederkämpfung Napoleons völlig gebun-den waren.

Das ältere Geschlecht blickte im allgemeinen nur rückwärts und faßtedie jüngste Vergangenheit lediglich als das Ende eines schweren Kampfesgegen die Gefahr des Umsturzes aller bestehenden Ordnung auf, die Frank-reich durch seiue Revolution heraufbeschworen hatte.

Jene wollte, auf den durch die Revolution geschaffenen Grundlagen vonveränderten politischen Begriffen und Anschauungen fortbauend, ein neuesStaatswesen und ein neues politisches Leben anbahnen, bei dem die aktiveBeteiligung des Volkes zur Geltung kam. Den Männern der anderenRichtung galt es nur, ähnlichen Erschütterungen, wie der jetzt glücklichüberstandenen, vorzubeugen und so viel als möglich Schutzmauern gegeneine Wiederkehr aufzutürmen. Sie waren die stärkeren. Sie verfügtenüber den ganzen staatlichen Tlpparat, aber mit geringen Ausnahmen auchüber die Gemüter der herrschenden Volksschicht.

So stellt sich denn die nächste Zeit dar als ein allgemeiner Kampf derwieder erstarkten staatlichen Gewalten gegen die vermeintlich drohende Re-volution, deren geheimes Wirken man in jeder selbständigen Regung ein-zelner Personen, oder bestehender Genossenschaften von Gleichgesinntenwahrzunehmen glaubte. Man wollte den schweren Kampf nicht durchge-führt haben, um für die dunklen Mächte des Umsturzes freiere Bahn zuschaffen. Und dies ist damals keineswegs die Meinung einer kleinen, mäch-tigen Minderheit gewesen, sondern die der Mehrzahl der Gebildeten. Siewar, so eigentümlich es uns heute klingen mag, weithin populär. DasBiedermeiertum, das sich in allen deutschen Landen ausbreitete, gedieh alseine ihrer Früchte.

Die Zeit der Helden war vorbei, die Zeit der Philister war gekommen."

Die von den drei Monarchen noch in Frankreich geschlossene heiligeAllianz erfreute sich allgemeiner Zustimmung. Sie zeichnete zwar keinebestimmten, praktisch-politischen Ziele vor, wohl aber die Leitung der Staats-geschicke nach den Lehren des Christentums und die BekämpfungderMächte des Umsturzes". Sie verhieß ferner durch ihre ganze Tendenz dieErhaltung der wiedergewonnenen Ruhe" und die Sehnsucht nach Ruhewar allgemein verbreitet.