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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Die heilige Allianz

15.

Noch ist jeder Periode einer übermäßigen Anspannung der nationalenKräfte eine solche der Abspannung gefolgt. Es scheint ein Naturgesetz zusein, dessen Notwendigkeit man mehr empfindet, als man sie nachweisenkann. Kaiser Alexander hatte die heilige Allianz bei seinem Aufenthalt inParis nach der zweiten Einnahme ersonnen, Kaiser Franz schnell erkannt,daß ein Bund, wie der geplante, im wesentlichen zur Aufrechterhaltungdes jetzt bestehenden Zustandes dienen werde. Er stimmte ihm rückhaltloszu; denn darauf kam für Österreich zunächst alles an. Bei König FriedrichWilhelm III. war das Ruhebedürfnis ausschlaggebend. Die Könige vonEngland, Frankreich und Spanien , kurz alle nicht revolutionären Staats-oberhäupter traten bei, und Metternich übernahm die geistige Führerschaftder großen staatsrechtlichen Genossenschaft, die eine Zeitlang fast aussah,wie eine neue Macht derVereinigten Staaten von Europa ".

Die Einwirkung der heiligen Allianz zeigte sich sehr bald in dem Streitum die Einführung von Verfasfungen in den deutschen Bundesstaaten.Artikel 13 der deutschen Vundesakte hatte ausgesprochen:In allen Bun-desstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden". Aber es warnicht ausgesprochen, welcher Art sie sein sollte. Mehrere der kleinen Staatenführten sie, ein jeder in seiner Weise, durch, selbst mit einer Volksvertre-tung und nicht nur mit Vertretung der alten Stände. Das konnte aufdie großen Verhältnisse Europas keinen erschütternden Einfluß ausüben.Anders stellte sich die Frage, sobald es sich um Preußen handelte. Eineliberale Verfassung in diesem zweitgrößten Bundesstaat, der trotz seinemseit dem Friedensschlüsse verblassenden Stern, immer noch den Ankergrundfür alle deutschnationalen Hoffnungen bildete, konnte ansteckend auf diebenachbarten Großmächte, zumal auf Österreich wirken. Für Österreich aber paßte, bei seiner bunten nationalen Zusammensetzung, das Beispieldurchaus nicht. Metternich setzte allen seinen Einfluß auf Friedrich Wil-helm III. daran, um ihn von der Gewährung der mehrfach versprochenenallgemein reichsständischen Verfasfung abzuhalten, und es sollte ihm gelingen.

Zu verkennen ist nicht, daß gewichtige Bedenken dagegen vorlagen. DerWiener Kongreß hatte alle deutschen Staaten in einem innerlich unfertigenZustande gefunden. Wer ihnen sofort eine freie Verfassung gab, löste da-mit die inneren Gegensätze aus, und die Gefahr lag vor, daß widerstrei-tende Interessen unvermittelt aufeinander platzten. Man vergegenwärtigesich nur den Zustand des neuen Preußen , in dem die altpreußischen, evan-gelischen Erblande, die Marken, Pommern und Preußen , die seit Jahr-hunderten eng mit dem Herrscherhause verwachsen waren, eben erst vereintwurden mit den katholischen, noch stark von französischem Geiste erfüllten