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I. Die Heere nach dem Befreiungskriege
Rheinlanden und einem Bruchteile polnischer Bevölkerung. Eine einheit-lich, das ganze Staatsgebiet umfassende Volksvertretung hätte schwerlichsogleich erfolgreich gearbeitet. Vorsicht war geboten. Die Fortführung der1807 begonnenen Reformen hätte nicht ganz unterbleiben dürfen. Alsder rechte Mann sie zu vollenden, galt der Reichsfreiherr vom Stein; dochder König, durch Steins Temperament abgestoßen, berief ihn nicht anseine Seite. Das am 22. Mai 181S, auf Hardenbergs Rat erneut ge-gebene Versprechen einer Verfassung blieb uneingelöst. Nach des Staats-kanzlers im Jahre 1822 erfolgten Tode wurde der Gedanke an die Be-rufung von Reichsständen für die ganze Monarchie „der landesväterlichenFürsorge vorbehalten." Auch die Agrarreform ward unterbrochen und damitder Gegenwart ein schwer zu lösendes Problem als Erbschaft überlasten.
Die Sorge vor dem Wiedererwachen der glücklich gebannten Revolutionzeitigte eine weit über das Ziel hinausgehende Verfolgung aller Regungen,die sich zugunsten einer freieren Betätigung der mittleren und unterenVolkskreise im öffentlichen Leben fühlbar machten. Diese Richtung feiertebekanntlich ihren Triumph in den sogenannten Karlsbader Beschlüssen,dem Werke Metternichs . Sie unterstellten die innere Entwicklung der Bun-desstaaten der Aufsicht Österreichs und Preußens , die ihren ersten, prak-tischen Ausdruck in der Ernennung der Mainzer Zentraluntersuchungs-kommission gegen demagogische Umtriebe fand. Treffliche Männer, wieErnst Moritz Arndt , wurden unnötigerweise verdächtigt und verfolgt oderdurch die sich entwickelnden Verhältnisse veranlaßt, sich aus dem Staats-dienste, sei es ganz, sei es vorübergehend, zurückzuziehen. So erging esselbst Boyen, Grolmann, Beyme und Humboldt. Unstreitig übten dieKarlsbader Beschlüsse einen bedeutenden und lähmenden Einfluß auf dasgeistige Leben Deutschlands . Sie haben viel dazu beigetragen, statt deserhofften Aufschwungs zunächst einen lange andauernden Stillstand herbei-zuführen, der sich auch in der Entwicklung des Heerwesens fühlbar machte.Das allgemeine Ruhebedürfnis siegte mit der Zeit vollständig. Preußen spielte bei den kommenden europäischen Entscheidungen eine nebensächlicheRolle, und so schwand mehr und mehr die Hoffnung, es in Deutschland die führende übernehmen zu sehen. Selbst ein Clausewitz klagte, daß imLande das Vertrauen zur Regierung schwinde und im Auslande die Ach-tung vor dem Staate Preußen .
Nicht zu vergessen ist, daß eine allgemeine drückende nationale Notlagegerade in den ersten Jahrzehnten nach Beendigung der großen Kriege aufDeutschland lastete. Die Nachwehen der schlimmen Zeit machten sich jetztfühlbar. Handel und Wandel lagen darnieder. Die Grund- und Boden-