Druckschrift 
2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
Entstehung
Seite
17
Einzelbild herunterladen
 
  

Drückende nationale Notlage 17

preise sanken auf ein Drittel und ein Viertel des früheren Standes zurück.Die Bodenerzeugnisfe verloren aus Mangel an Absatz ihren Geldwert.Während der Kriegsstürme waren alle Verbesserungen, jede produktiveAnlage, unterblieben. Unendlich vieles war jetzt nachzuholen, aber dieMittel fehlten dazu.

Es mußte auf allen Gebieten der Staatsverwaltung übertrieben gespartwerden. In den Heeren stand das Avancement vollständig still. Bei derAbwendung der ganz mit den inneren Verhältnissen beschäftigten deutschenStaaten von aller Betätigung nach außen hin, konnte sich jugendlicherTatendrang nur in privater Teilnahme an den Kriegen des Auslandes,beispielsweise am Befreiungskampfe der Griechen, und an den Karlisten-erhebungen in Spanien betäligen.

->- 55

Während des Aufenthaltes der Monarchen in Paris und der Anwesen-heit ihrer Truppen in Frankreich hatte es an glänzenden militärischenSchaustellungen, Paraden und Übungen nicht gefehlt, bei denen ein inter-nationaler Wetteifer sich betätigte, und die Lust an Vervollkommnungder taktischen Formen sowie an der Schnelligkeit, Regelmäßigkeit und Ge-nauigkeit der Truppenbewegungen sich bei allen Beteiligten wieder zu regenbegann. Im Kriege hatte die Not darauf verzichten und die Augeu zu-drücken lassen für manche Vernachlässigung und UnVollkommenheit. Jetzt,wo die blutige Arbeit getan, war auch die Zeit gekommen, das Versäumtenachzuholen, die alte Straffheit und Disziplin, wie sie vor dem großenDurcheinander geherrscht hatte, wieder herzustellen.

Zu einem denkwürdigen °Tage war der 1. September 1815 geworden.Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm III. hatten über dieSchnelligkeit der Evolutionen bei der preußischen und russischen Infanteriegestritten und beschlossen, die Entscheidung durch einen praktischen Versuchherbeizuführen. Der König exerzierte daher in Person zwei Bataillonedes preußischen Alexanderregiments, der Kaiser zwei des russischen Grenadier-regiments Friedrich Wilhelm III.

Der König, ein gefeierter Soldat, kommandierte mit Ruhe und in wür-digster Haltung, Kaiser Alexander elegant, aber aufgeregt. Es half nichts;die Preußen waren immer früher fertig, und oft ließ der König Gewehrabnehmen und rühren, bevor die Russen geendet hatten. Völlig befriedigtverließen die Preußen, nicht so die Russen das Schlachtfeld dieses fried-lichen Wettstreites.

Dergleichen wirkt ansteckend. Die nahen freundschaftlichen Beziehungen

Frhr . ». d. Goltz, Kriegsgeschichte II 2