Ausbildung und Gewohnheiten
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aus den kleinen Kontingenten übernommenen Offiziere gaben, seit 1814,dem Korps ein buntes Gepräge. Da war zumal im Westen von alt-preußischer Disziplin wenig die Rede. Sie hatte dort immer für etwasBarbarisches gegolten, zugleich auch für etwas Rückständiges. Saloppedienstliche Formen waren gang und gäbe. Wenn die Mannschaft voneiner Übung heimkehrte, schoß sie die noch nicht entladenen Gewehre durchdie Kasernenfenster ab, ohne daß man darin eine Ungehörigkeit sah.Zur Wachtparade erschienen die Offiziere, übereilt für den unbequemenDienst zurecht gemacht, in Zivilbeinkleidern, nur den offenen Waffenrockübergeworfen und mit dem Militärhut angetan. Den Säbel ohne Gehenkunter dem Arm. Das hatte den Zweck, die lästige Uniform recht schnellwieder abwerfen und sich dem behaglichen Stilleben der kleinen Garnisonsobald wie möglich widmen zu können. Während der Karnevalszeit wurdeüberhaupt Zivil getragen.
Welche Empfindung dieser Zustand in altpreußischen Herzen hervor-rief, ist leicht zu ermessen. Der Gedanke, erst einmal das neue Heer durchden straffen Dienst zu einem einheitlichen Gebilde zusammenzuschweißen,lag nahe. Er hatte seine innere Berechtigung, und die Exerzierausbildungalter Art stieg unter den sachkundigen Blicken des Königs sehr schnell imPreise; der Wetteifer darin wurde von Jahr zu Jahr größer.
Auf Gewehrgriffe, Marsch, Richtung, Wendungen und Schließen wurdeein großer Wert gelegt. Die Exerziertage verliefen einförmig, der einewie der andere, und die theoretische Belehrung — die Instruktion —erstreckte sich fast ausschließlich auf die Kenntnis der Formen des innerenDienstes und auf den Wachtdienst.
Auch das Exerzieren der Kompagnie und des Bataillons stellte sich alseinfacher, rein mechanischer und scharfer Drill elementarer Bewegungendar, die mit der Anwendung im Kriege nichts zu tun hatten. Es galtaber, durch die Gewöhnung an Anspannung, Aufmerksamkeit, Gehorsamund Selbstbeherrschung in Reih und Glied, für das beste Mittel zur Er-ziehung tüchtiger Soldaten. Sicherlich trug die gleichmäßige Strenge vieldazu bei, der Armee bald ein gleiches Gepräge, zunächst im äußerenAuftreten, dann aber auch in der gesamten Dienstauffassung zu geben.Der Wert dieses Erbteils der friderizianischen Zeit ist wahrlich nicht zuunterschätzen. Nur die lange Dauer des Friedens zeitigte Auswüchse.
Der Wetteifer im Exerzieren führte auf Umwegen zu den alten Künste-leien zurück. Das „Avancieren" und „Retirieren", die Achsschwenkungen,die Entwicklungen und Aufmärsche, die Treffendurchzüge und Wechselwurden in häufigen Wiederholungen geübt, das „Tiraillement" dagegen