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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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I. Die Heere nach dem Befreiungskriege

auf die Kasernenhöfe oder ganz ebene Exerzierplätze verbannt. In feinerAnwendung in Verbindung mit dem Skelettexerzieren der Bataillone, beidem diese nur durch die Flügelleute, Unteroffiziere uud Zugführer dar-gestellt waren, wurde es meist auf die sonst freien Nachmittagsstundenverwiesen.

Den alten Herren war es ohnehin ein Greuel, der nur zu Unordnungund Disziplinlosigkeit verleitete. Schieß- und Felddienst galten als Neben-zweige, denen die höheren Vorgesetzten wenig Wert beimaßen, und die siefast niemals kontrollierten. Der Tirailleur verschoß aus seinem Stein-schloßgewehr jährlich 25, der andere Infanterist 20 Schuß; das galt fürreichlich genug, und die Übung darin drängte sich auf wenige Tage imJahre zusammen. Ist es doch sogar vorgekommen, daß Kompagnien demunwichtigen Dienstzweige, nach dessen Vollendung oder Vernachlässigungniemand ernsthaft fragte, nur einen einzigen Tag gewidmet haben. Auchdie Divisions- und Korpsübungen im Herbste gestalteten sich nicht vielanders, wie große Exerzitien, die bedenklich an die Zeit vor 1806 erinnerten.Es war als sei 1813, 1814 und 1815 gar nicht dagewesen. Übungengemischter Abteilungen gegeneinander hatte Oberst von Weyrach, späterlange Zeit kommandierender General des III. Armeekorps, im Jahre 1828eingeführt.

Auch bei der Kavallerie galt allmählich wieder die Vollendung der Bahn-reiterei, sowie im Sommer und Herbste das korrekte Evolutionieren alsdas Wesen der Sache. In den größeren Verbänden wurden nach lang-atmigen Verabredungen einzelne, künstlich erdachte Bewegungen ohne Zu-sammenhang mit dem Vorangegangenen und dem Nachfolgenden durch-geführt. Dann wurde Halt gemacht, eine neue, Stunden andauernde, Ver-einbarung des Führers mit seinen Untergebenen getroffen, und das nächsteKunststück vollführt, bis der Vormittag vorüber war. Alles verlief glatt,und befriedigt ritt man nach Hause; denn man kannte nichts Besseres.Für einen lebhaften Geist und strebsame Gemüter aber war es zum Ster-ben langweilig.

Bei der Artillerie kam alles auf korrektes Fahren im Bespanntexer-zieren, sauberes Anschirren und schnelle mechanisch durchgeführte Geschütz-bedienungen an.^

Das unter Scharnhorsts Leitung von Krauseneck, Clausewitz und Natzmerim Sommer 1811 bearbeitete Reglement vom Januar 1812, das unterdem eisernen Drucke der Not entstanden war, hatte sich von allen Un-natürlichkeiten freigehalten.Überhaupt müssen alle zusammengesetzte undgekünstelte Bewegungen, die man nie vor dem Feinde anwenden wird,