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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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III. Die Zeit des Stillstandes

Bundestages, die auch am 2. September 1850 zu Frankfurt a. M. er-folgte.

Der Kurfürst von Hessen stellte sich schon am 12. September unterdessen Schutz, und der Bundestag sagte ihm durch Beschluß vom 17. dieHilfe zur Wiederherstellung seiner Autorität zu. Noch gehörte Hessen zurUnion, der Beschluß stellte deren Vormacht Preußen also vor die Wahlzwischen Nachgeben oder bewaffnetem Widerstande. König Friedrich Wil-helm IV. schien zu diesem entschlossen. Auf der anderen Seite übernahmRadetzky, der ruhmgekrönte Feldherr des italienischen Krieges, den Ober-befehl in Böhmen . Ein durch Österreicher verstärktes bayerisches Korpsunter dem Fürsten von Thurn und Taxis sollte in Kurhessen einrücken,wodurch es zugleich die Verbindung der uoch in Baden stehenden preußischenTruppen mit der Heimat bedroht hätte.

Der Krieg schien unvermeidlich. Rußlands Haltung galt als entschei-dend. Kaiser Franz Josef, begleitet von dem Ministerpräsidenten FürstenSchwarzenberg und von preußischer Seite Graf Brandenburg erschienenin Warschau. Nikolaus' I. Entschluß konnte keinen Augenblick zweifelhaftsein. Er sprach sich sür die österreichische Politik aus. Preußen mußteim Kriegsfalle mit der möglichen Feindschaft, jedenfalls mit der UngunstRußlands rechnen.

Dazu reichten die Machtmittel nicht aus. So demütigend es für Preußen war, nach all den stolzen Plänen von Deutschlands Einigung, nach denvielen Bemühungen, die deutschen Zustände zu bessern, für Deutschlands freiere Entwicklung die Schutzmacht zu werden, sich Österreichs Willen zufügen und zum alten Zustande zurückzukehren, dem nüchtern mit Stärke-verhältnissen rechnenden Sinn blieb am Ende doch nichts anderes übrig.Der schwache Stand der Linientruppen erlaubte nicht, aus ihnen ein an-sehnliches Heer aufzustellen. Noch waren 17 300 Mann in Baden, 12 500in Luxemburg, Mainz und Frankfurt a. M., 9000 in Hamburg und anden holsteinischen Grenzen gefesselt, kleine Abteilungen hier und dort zer-streut. Sie konnten auch, mit Rücksicht auf die Ruhe und Sicherheit imLande, nicht überall ohne weiteres abberufen werden. Ein volles Dritteldes Linienstandes war also nicht frei verfügbar, die Friedenseinteilungvöllig in Unordnung geraten; es gab Divisionen, bei denen überhauptkeine Linientruppen mehr vorhanden waren. Die Landwehr, die nochimmer die Hälfte der für den Feldkrieg bestimmten Armee ausmachte, wardurch vielfache Einberufungen, durch Wach- und Sicherheitsdienst schonstark in Anspruch genommen worden. Sie bestand meist aus Familien-vätern, die durch die Einberufung in Not und Sorge um ihre Familien