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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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III. Die Zeit des Stillstandes

Im März 18S1 forderte das Kriegsministerium Berichte über den Verlaufder letzten Mobilmachung ein, die fast sämtlich abfällig lauteten. DieNotwendigkeit der Heeresreform machte sich von neuem derart fühlbar,daß es schien, sie könne nicht mehr zurückgewiesen werden. Das tätigsteMitglied der Novemberkommission, General v. Stockhausen, war inzwischenKriegsminister geworden. Statt aber kräftig für die Verwirklichung seinerfrüheren Entwürfe einzutreten, schreckte er jetzt vor den unvermeidlichenKosten einer wirksamen Heeresverstärkung zurück. So unterblieb diesewiederum. Nur im einzelnen wurde manches gebessert, zumal die Artilleriedurch Erhöhung ihrer Bespannung im Frieden mehr für die Feldverwen-dung vorbereitet. Auch sollte die seit 1848 tatsächlich drei Dienstjahrebei der Fahne festgehaltene Infanterie von nun ab dauernd zur drei-jährigen Dienstzeit zurückkehren. Ersparnisrücksichten ließen diese freilichbald wieder zu einer zweieinhalbjährigen verstümmeln. Weder die Ver-mehrung noch die Verjüngung der Armee wurden im großen Stile durch-geführt. General v. Bonin trat an Stockhausens Stelle.

Das wichtigste war eine Kabinettsorder des Königs vom 29. April 1852.Sie hob die Trennung der Landwehr und Linie auf, wie sie Boyen ge-schaffen hatte, und vereinigte in den Brigaden je ein Landwehrregimentmit einem Linienregiment, wobei beide im allgemeinen die gleiche Nummertrugen. Durch diese engere Verbindung sollte die bessere Ausstattung derLandwehrregimenter mit Offizieren und Unteroffizieren der Linie gefördertund ihnen ein festerer Halt gegeben werden. Die Landwehrbataillone er-hielten schwache Stämme und Kompagnieführer, von denen je zwei derLinie angehörten.

Auch für die Landwehrkavallerie geschah einiges. Jedes ihrer Regimenterwurde einem Linienregiment zugeteilt, dessen Uniform es mit geringfügigenÄnderungen trug und das auch die Sorge für Bekleidung und Aus-rüstung übernahm. Je zwei traten mit zwei Linienregimentern zu einerBrigade zusammen.

Auch zugunsten des Schmerzenskindes der Armee des Trainsward ein schwacher Anlauf genommen. Stämme wurden dafür geschaffenund bei der Kavallerie schon im Frieden Mannschaften für den Kriegs-bedarf flüchtig ausgebildet.

Ohne Frage erschienen diese Maßregeln als Verbesserungen gegenüberdem alten Zustande; aber die allgemeine Reform zur Verjüngung undVermehrung der Armee, auf der Deutschlands Hoffnungen beruhten, bliebaus. Nicht einmal die dritten Bataillone der Reserveregimenter wurdenaufgestellt. Die beiden größten Mängel des Wehrgesetzes vom 3. September