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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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III. Die Zeit des Stillstandes

Die vorübergehende Aussicht auf kriegerische Tätigkeit, welche der Streitmit der Schweiz um das ehemals der Krone Preußen gehörige Fürsten-tum NeufckMel und Valengin eröffnete, ließ die Hoffnung im Heere, eswerde endlich zum Erust kommen, noch einmal aufflackern. Das Fürsten-tum war durch Erbschaft 1707 an König Friedrich I. gefallen und mitder geringen Unterbrechung von 1806 bis 1814, als Napoleon den Mar-schall Berthier damit belehnt hatte, den Hohenzolleru verblieben. Es ge-hörte aber zugleich der Eidgenossenschaft an und hatte mit dieser weitengere Beziehungen als mit dem entfernten Herrscherhause. Der Staats-rat, der es für dieses regierte, wurde am 1. März 1848 durch eine be-waffnete Volkskundgebung zur Abdankung gezwungen und die Republik verkündet. König Friedrich Wilhelm IV. protestierte, ohne Tatsächlichesfür die Erhaltung seiner Rechte zu tun. Als aber in der Nacht vom2. auf den 3. November 1856 ein royalistischer Putsch unter dem GrafenFriedrich Pourtaltzs für einen Tag die Monarchie zurückführte, die dannmit der Gefangensetzung der Anstifter wieder ein frühes Ende fand,widerstrebte es des Königs ritterlichem Sinne, die Leute, die für seineRechte eingetreten waren, im Stiche zu lassen. Er verlangte ihre Frei-heit und drohte mit Krieg. Die Schweiz setzte einen Teil ihres Heeresauf Kriegsfuß, und auch in Preußen wurde mobil gemacht. Der Anlaßwar der Begeisterung nicht würdig, mit der er aufgenommen wurde.Aber der Durst nach Taten und nach dem Ende der Unentschlossenheiten, indenen man sich seit 8 Jahren bewegte, machte sich geltend.

Doch auch diesmal kam es nicht dazu. Man einigte sich am Ende.Die Eidgenossenschaft schlug den Prozeß gegen die Royalisten nieder, undder König verzichtete dafür auf seine Rechte. Ein ganz unnützer Kriegwurde verständigerweise vermieden. Aber der Vorgang wirkte doch wieein entmutigender Rückschlag. Man glaubte sich zu ewiger Tatenlosigkeitverdammt. Immer nur drohen und niemals zuschlagen tut keinemHeere gut.

Auch aus dem Gebiet der inneren Politik fehlte es in mehreren Bun-desstaaten nicht an dem Versuche, ganz auf die Zustände vor 1843zurückzukommen. Mecklenburg stellte die alten Landstände wieder her.In Hannover geschah ähnliches mit Hilfe des Bundestages. Österreich schloß ein Konkordat mit der römischen Kurie und erweiterte die Befug-nisse der hohen Geistlichkeit auch in weltlichen Dingen. Bayern undWürttemberg folgten zum Teil seinem Beispiele. Über Preußen lag eineschwüle Atmosphäre. Der König, durch die Vorgänge von 1848 verletzt,fühlte sich mit Undank gelohnt, in seinen Plänen mißverstanden, vom