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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Erkrankung Friedrich Wilhelm IV. Regentschaft

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Schicksal verraten. Im Gange der Ereignisse sah er einen Abfall vonWahrheit und Recht, den er nicht hatte aufhalten können. Die Revolu-tion war eingedämmt, aber innerlich nicht so überwunden, wie er es ge-wollt hatte. Seine strahlende Heiterkeit und seine Lebenslust warenverschwunden. Als während des Krimkrieges die Familienbande und diefreundschaftliche Anhänglichkeit, die ihn an Rußland fesselten, zu denForderungen der Politik in schneidenden Gegensatz traten, brach seineKraft zusammen. Eine Gehirnkrankheit folgte dem Seelenleiden. Derglänzende Redner verstummte, der unermüdliche Denker wurde geistes-versunken. Am 24. Oktober 1857 ernannte er seinen Bruder Wilhelm,den Prinzen von Preußen , zum Stellvertreter in der Regierung. Am8. Oktober des folgenden Jahres mußte dieser schon die Regentschaft mitvoller Regierungsgewalt übernehmen. Er ernannte ein Ministeriuni, dasaus Männern bestand, in denen sich eine freisinnige Richtung mit poli-tischer Mäßigung einte, und das für den Übergang zu besseren Zuständengeeignet erschien. Der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen, der kürzlichsein Land an Preußen übergeben, also den ersten praktischen Schritt zurEinigung Deutschlands getan hatte, übernahm darin den Vorsitz, Bonindas Portefeuille des Krieges.

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Trotz des trübseligen Ausganges der Sturm- und Drangperiode unddes darauffolgenden Stillstandes in der politischen Entwicklung Deutsch-lands hatte sich doch langsam aber sicher eine Wandlung zum Besserenvorbereitet.

Früh regte sich in Preußen der Gedanke, das 1815 neu zusammen-gefügte Staatsgebiet, durch gemeinsame wirtschaftliche Interessen in sichfester zu verbinden. 1818 ward die ganze Monarchie für ein einheit-liches Zollgebiet erklärt. Alle inneren Schranken für Handel und Ver-kehr fielen. Damit kamen die kleineren Bundesstaaten; vor allem ihreim Preußischen gelegenen Gebietssplitter in Nachteil und mußten denAnschluß suchen. Die Trennung des preußischen Staatskörpers in zweigroße Stücke, ersonnen, um seine Schwäche zu verewigen, drängte un-widerstehlich dazu, das dazwischen gelegene Land wenigstens in den wirt-schaftlichen Kreis Preußens hineinzuziehen und dieses so zu stärken. Dergeniale Nationalökonom Friedrich List hatte auf die Notwendigkeit hin-gewiesen, das Zollwesen ganz Deutschlands einheitlich zu ordnen. InPreußen fand sich 1825 ein weitblickender Finanzminister, Adolf v. Motz,