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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Zündnadelgewehr nnd gezogene Geschütze

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einige der Vorwürfe durch den Hinweis auf die Mcmnszncht und sorg-fältige Ausbildung der Infanterie entkräftet wurden.

Ein Gewehr, das geladen werden konnte, ohne daß der Schütze sich ausseiner Deckung erhob, ohne daß er den Blick vom Feinde abwendete, ge-stattete natürlich eine ganz andere Benutzung der Unebenheiten des Bodensals die alten Vorderlader. Das Schützengefecht ging damit einer großenVervollkommnung entgegen. Die Tätigkeit der jüngeren Offiziere gewannan Reiz. Ihr Nachdenken wurde angeregt, ihre Selbständigkeit gehoben,wenn auch der alte Formalismus sie uoch lange genug einschnürte.

Dazu kam, daß das Reglement von 1847 den aus Friedrichs Zeitennoch erhalten gebliebenen Marsch von 75 Schritt in der Minute ab-schaffte und die Bestimmungen für die Füsilierbataillone, wonach diese sichim Kampfe in vier Kompagnien zu drei Zügen, zwei Mann hoch aufge-stellt, zerlegen sollten, auf das ganze Heer übertrug. Der Grund zurKompagniekolonnentaktik war gelegt. Auch das förderte Leben und Be-weglichkeit.

Die Einführung gezogener Gewehre mit vergrößerter Tragweite machtesich natürlich auch der Artillerie fühlbar. Diese konnte nicht mehr nahegenug an den Feind Herangehen, um ihren wirksamsten Schuß, den derKartätsche, zu brauchen, der erst bei 300 Schritt Entfernung dem Feindefurchtbar wurde. Die-Artilleristen sannen auf Abhilfe; eine Reihe vonVersuchen mit schweren Kalibern wurde angestellt, bis man darauf verfiel,auch die Geschütze mit Zügen zu versehen. Nach dem Vorgange desschwedischen Barons Wahrendorff, der schon 1846 ein eisernes Hinter«ladergeschütz erprobt hatte, wurde in Preußen 1855 der erste Auftrag anKrupp in Essen gegeben, zwei solcher Geschütze zunächst für den Gebrauchim Festungskriege herzustellen,ein Schritt von der allergrößten Bedeu-tung". Die mit diesen Geschützen 1857 zu Schweidnitz angestellten Ver-suche erwiesen schlagend deren Überlegenheit über alle anderen Systeme.Der Entschluß, ähnliche Geschütze für den Feldgebrauch anzunehmen, standbald fest. Die Frage einer völligen Umbewaffnung des Heeres kam nichtmehr zur Ruhe.

Auch eine Reihe von Verbesserungen in der Ausrüstung der Truppenwurde vorgenommen. Der Krimkrieg, der erste wirklich große Krieg seitden Tagen Napoleons I., konnte nicht ohne bedeutenden Einfluß aufalle denkenden Soldaten bleiben. Seine Gefechte und Schlachten wurdeneifrig verfolgt. Das Hervortreten der französischen Armee, im Ver-gleich zu Bundesgenossen und Feinden, wurde der Anlaß, ihre Kampf-weise und die Kriegserfahrungen zu studieren, die sie in den vorangegan-