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V. Die preußische Armeereform von 1860
einer Festungsabteilung von vier Kompagnien, erhalten, alles übrige ent-lassen. Die Pionierabteilungen der Armeekorps bildeten sich zu drei Kom-pagnien, und die Trainbataillone blieben auf erhöhtem Friedensfuße.
Aber diese Maßregeln, so umfassend sie auch waren, stellten nur denÜbergang zum künftig Beabsichtigten dar. Aus den Stammbataillonensollten neue Regimenter entstehen, der Friedensstand der Armee dauerndbedeutend erhöht werden. Der leitende Gedanke hierbei war folgender:
Nach dem Wehrgesetz von 1814 dienten die ins Heer eingestellten Mann-schaften drei Jahre in den Linienregimentern, zwei in der Reserve, jesieben in der Landwehr ersten und zweiten Aufgebots. Bei einer Be-völkerung von ursprünglich zehn Millionen wurden 38000 Mann einge-stellt. Mittlerweile war die Vvlkszahl auf 18 Millionen gestiegen, dieZahl der jährlich Einzustellenden hätte also auf 63 000 steigen müssen;sie blieb aber die alte. 27 000 junge kräftige Leute wurden jährlich dienst-frei. Da der Diensteintritt mit 20 Jahren geschah und die Landwehrersten Aufgebots genau wie die Linie ins Feld zog, so mußten die Männerbis zum 32 Jahre sofort vor den Feind rücken. Man hat berechnet, daßinfolgedessen 50 000 Familienväter in der ersten Reihe der Kämpfer stan-den. Nun kam hinzu, daß die Landwehr von den aus dem Stande derEinjährig-Freiwilligen hervorgegangenen, praktisch nur wenig geübten underfahrenen Offizieren geführt wurde, also auf größere Verluste zu rechnenhatte als die Linie, während sie die volkswirtschaftlich wertvolleren Kräfteenthielt. In Baden hatte der Prinzregent diesen Übelstand deutlich vorAugen gehabt und den festen Entschluß gefaßt, ihm abzuhelfen, sobald erkönne. Das war verhältnismäßig leicht, wenn man die Landwehr erstenAufgebots teilte, die drei jüngeren Jahrgänge, in denen die Unverheiratetennoch überwogen, zur Reserve der Linienregimenter schlug, die vier älterenaber aus der Feldarmee ausschied und mit dem zweiten Aufgebot zu Be-satzungszwecken verwendete. Die ganze Feldarmee erhielt dann gleich-mäßige Führung durch ein gut vorbereitetes Offizierkorps, die Verheira-teten wurden geschont, und alle jungen Leute wurden gleichmäßig heran-gezogen, wenn man die Linienregimenter soweit vermehrte, daß die 63 000jährlich Einzustellenden darin Platz fanden. Das ließ sich erreichen, so-bald man den 32 Linienregimentern noch 32 neue hinzufügte, die 8 Ne-serveregimenter durch Aufstellen eines dritten Bataillons zu Vollregimenternmachte und so künftig deren 72 besaß. Bei der Garde wurden analogaußer den 4 bestehenden 4 neue Garderegimenter gebildet und das Garde-Reserveregiment durch Hinzufügen eines dritten Bataillons zum Garde-füsilierregiment umgewandelt.