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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Vermehrung des Linienstandes

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Bei der Kavallerie wurden 8 Regimenter neu aufgestellt, die Stämmeder alten Landmehrkavallerieregimenter aufgelöst und 8 Regimenter um jeeine Eskadron vermehrt.

Bei den anderen Waffen waren die Vermehrungen nicht wesentlich. Diegroßen Artillerieregimenter erhielten die ehemalige Bezeichnung Brigaden,die Pionierabteilungen wurden Bataillone.

Die Gesamtstärke der mobilen Armee änderte sich nicht erheblich, abersie verjüngte sich, und der Friedensstaud wuchs um 1345 Offiziere,KS670 Mann, 14 492 Pferde. Die Kosten der Unterhaltung erhöhtensich um 91/2 Millionen Taler. Das war, nach heutigem Maße gemessen,eine verschwindend geringe Summe, mit der dasVolk in Waffen", seinerwahren, längst verloren gegangenen Bedeutung nach, wieder hergestellt wer-den konnte.

Der ganze Aufbau der Reform war einfach, gerecht und zweckmäßig.Er traf alle Hauptschäden der alten Verfassung und verteilte gleichmäßigdie Pflichten und Lasten der Vaterlandsverteidigung. Aber dennoch stießer in den breiten Massen des Volkes auf Mangel an Verständnis.

Der Verdruß über die schwächliche äußere Politik unter Friedrich Wil-helm IV. wirkte nach. Ganz irrtümlich erblickte man in dem VerhaltenPreußens von 1859 deren Fortsetzung. Man dachte auch an 1805. Diegroße Vermehrung der Linientruppen würde nur zu Paradezwecken unddie vielen Offiziersstellen zur Versorgung der Söhne der Aristokratie dienen,so behauptete man. Die Landwehr, die herrliche Schöpfung der Befrei-ungskriege, der jetzt mit teils bewußter teils unbewußter Vertauschungvon Legende und Geschichte das Hauptverdienst an den Siegen von 1813,14 und 15 zugesprochen wurde, sollte beseitigt werden.So tönte es ausallen Teilen des Landes." Auf heftigen Streit in der nächsten Sitzungdes Landtages mußte die Regierung gefaßt sein. Dieselben Männer, dielaut nach energischem Auftreten gegen Preußens Widersacher und nachDeutschlands Einigung riefen, wurden die heftigsten Gegner des Regenten,der sich das Werkzeug schaffen wollte, um ihre Wünsche zu erfüllen.

Der Kriegsminister Bonin, des Regenten militärischer Vertrauter, billigteden Plan, dessen Einzelheiten er hatte bearbeiten lassen. Er war bereit,ihn im Landtage zu vertreten, aber er versprach sich davon nur dauneinen Erfolg, wenn bedeutende Einschränkungen zu Ersparniszweckeu vor-genommen würden. Er wollte den Kriegsstand der Bataillone herabsetzen,dnrch Beurlaubungen die dreijährige Dienstzeit erheblich kürzen, die Land-wehrübuugen zum Teil fortfallen lassen. Der Regent aber blieb diesenVorschlägen gegenüber, die sein kraftvolles Werk in den Fundamenten ge-