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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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V. Die preußische Armeereform von 1860

lockert hätten, unerbittlich.In einer Monarchie wie der unsrigen darfder militärische Gesichtspunkt durch die finanziellen und staatswirtschaft-lichen nicht geschmälert werden; denn die europäische Stellung des Staats,von der wieder so vieles andere abhängt, beruht darauf." Bonin schiedaus seinem Amt, und der Prinz verlor damit im kritischen Augenblickeseine Hauptstütze. Allein er fand als Ersatz den rechten Mann, den Ge-neral Albrecht v. Roon, dem er im badischen Feldzuge nähergetreten war,und den er dort schätzen gelernt hatte. Roon hatte sachlich einzelne ab-weichende Ansichten und Vorschläge, billigte aber den Plan im ganzen undwar entschlossen, seine Annahme in der Volksvertretung durchzusetzen.Das war es, dessen der Prinzregent bedürfte.

Am 12. Januar 1860 wurde der Landtag eröffnet. Die Thronredekündigte die Heeresreform mit würdigen Worten an:Der Vertretungdes Landes ist eine Maßregel von solcher Bedeutung für den Schutz undSchirm, für die Größe und Macht des Vaterlandes noch nicht vorgelegtworden."

Am 10. Februar brachte die Regierung zwei Gesetzentwürfe über dieRegelung der Dienstpflicht und über die Bewilligung der Kosten ein. Siewurden nicht angenommen. Durchdrungen von der eisernen Notwendig-keit der Reform, in der der Regent den Brennpunkt seiner Politik er-blickte, gestützt auf die allgemeinen Bestimmungen des Wehrgesetzes von1814 und auf die Bewilligung der Ausgaben für ein Jahr, führte er diebeabsichtigten Maßregeln trotzdem weiter durch. Die politische Lage dul-dete auch keinen Aufschub; denn nach dem Ausgange des italienischenKrieges sah sich Preußen dem Grolle Österreichs und dem MißtrauenFrankreichs gegenüber. Zwei Kabinettsorders vom 23. Februar undIS. Mai 1860 führten die Neuorganisation ein im Vertrauen darauf, daßdie Einsicht der Volksboten die Gründe der Regierung nachträglich gut-heißen und die einmalige Bewilligung in eine dauernde verwandeln werde.Die Order vom 4. Juli 1860 schloß das Werk ab. Die Truppenteileerhielten ihre endgültigen Bezeichnungen.

An diese Vorgänge knüpfte sich das jahrelang dauernde Zerwürfniszwischen Regierung und Abgeordnetenhaus. Für das Heer aber warenneue breitere und heute noch bewährte Grundlagen geschaffen, wie siePreußens welthistorischer Bedeutung entsprachen und für die Sicherheitdes Staates unentbehrlich waren.

Der 2. Januar 1861 endete das düstere Leiden Friedrich Wilhelms IV. ,und im eigenen Namen begann König Wilhelm I. seine Regierung. Eineneue glanzvolle Epoche in der Geschichte Preußens begann."