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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Abschluß der Reform König Wilhelms I.

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In der Thronrede bei Eröffnung des Landtages am 14. Januar sprachder König über die Heeresreform als eine fertige Schöpfung; die Landes-vertretung werde sich der Aufgabe nicht versagen, das Geschaffene zu be-wahren und zu fördern." Leider sollte sich die zuversichtliche Hoffnungnicht erfüllen. Freilich tat das Herrenhaus seine Pflicht. Es gab demGesetz über die Ausgleichung der Grundsteuer mit starker Mehrheit seineZustimmung, als es die Mahnung erhielt, daß die Heeresreform beieinem ungünstigen Votum finanziell nicht gesichert wäre. Sein Verdienstan der beginnenden glorreichen Laufbahn Preußens in den Kämpfen umDeutschlands Einheit ist damit geschichtlich festgelegt. Anders verfuhr dasAbgeordnetenhaus, das trotz der Ermäßigung der Forderung auf 8 Mil-lionen zwar eine annähernd ebenso hohe Summe bewilligte, aber nur alseinmaligen außerordentlichen Aufwand, während es im übrigen auf seinemgrundsätzlich ablehnenden Standpunkt beharrte und die Vorlage einesneuen Gesetzes für die Regelung der Dienstpflicht verlangte. Bei dieserGelegenheit sollte die zweijährige Dienstzeit und die Erhaltung der Land-wehr in der Feldarmee gefordert werden, Einrichtungen, denen sich derKönig mit aller Kraft seines starken Gemüts zum Heile des Vaterlandeswidersetzte. Für jene war die Zeit noch nicht gekommen, eine Meinungs-verschiedenheit darüber erklärlich. In bezug auf die zweite lagen dieDinge so klar, daß auch der Unerfahrene das Richtige zu finden ver-mochte, wenn nicht doktrinäre Rechthaberei ihn verblendete. Wer nichtanerkannte, daß es ein Unrecht und geradezu bedenklich sei, zwei so un-gleiche Bestandteile, wie die damalige Linie und Landwehr, bei Kriegs-ausbruch sofort gemeinsam gegen den Feind zu führen, der wollte ebenaus politischer Leidenschaft nicht anerkennen. Zurückblickend in jene Zeitdarf man sich heute nur vergegenwärtigen, was geschehen wäre, wennPreußen mit der alten Armee von 184860 in die kommenden gewal-tigen Kriege eingetreten wäre. Die Erscheinungen der Feldzüge in Posen,Schleswig-Holstein und Baden müssen jeden darüber belehren, der über-haupt belehrbar ist. Allein die Mehrheit des Abgeordnetenhauses wareben unbelehrbar.

Die Reform wurde von der Regierung durchgesetzt unter großen Schwie-rigkeiten, freilich unter Anwendung der äußersten Sparsamkeit, die vor-übergehend sogar die großen Herbstübungen, die Krönung in der Friedens-schule der Armee, fortfallen ließ aber sie ward eben doch durchgeführt.In drang- und kummervollen Tagen und Nächten hielt König Wilhelman der Erneuerung des preußischen Heerwesens fest.Die Deutschenwerden es ihm immer Dank wissen, daß er in einer schwächlichen Zeit,