Print 
2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
Place and Date of Creation
Page
201
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

Veränderte feldmäßige Ausbildung des Heeres

201

die neue Bearbeitung hätte damals noch viel zu viel Revuetaktisches über-nommen. DieVerordnungen" genügten auch als Ersatz. Unter dem Namendas grüne Buch" wurden sie bald zur maßgebenden taktischen Lehre fürdas Heer, der die kommeuden Siege nicht zum geringen Teil zu verdankensind. Daß das Reglement veraltet sei, begriff auch der jüngste Offizier,aber man fand sich damit ab. Man einigte sich dahin, daß das Reglementfür den Frieden, das grüne Buch aber für den Krieg bestimmt sei. Ein-dringlich betonte es die Überlegenheit des Zündnadelgewehrs über denVorderlader, ein damals viel besprochenes Thema. Es deutete Grundsätzefür den Kampf des ersten gegen das zweite an. Das Jnfanteriefeuer alsentscheidendes Kampfmittel kam wieder zu Ehren. Es wurde daraus mitRecht gefolgert, daß die preußische Infanterie bei gutem Schußfelde inder Front unüberwindlich sei. Hieraus ergab sich der weitere Schluß,daß man dort schwach, auf den Flügeln aber stark sein und den Feindumfassen könne. Nasche Entwicklung zum Schützenschwarm wurde zur Aus-nutzung der neuen Feuerwaffe erforderlich. Auch die geschlossene Liniewar dem Vorderlader gegenüber noch vollkommen brauchbar. In der Ver-teidigung begann man sie überall anzuwenden; die Kolonne wurde fürAngriff und Gegenstoß bestimmt.

Da die Entwicklung aus den ungefügen Bataillonsmassen zu viel Zeitin Anspruch nahm, um günstige Augenblicke zum Überschütten des Feindesmit Massenfeuer auszunutzen, so mehrte sich der Gebrauch der Kompagnie-kolonnen. Aber die Führer fanden sich in ihre Anwendung nicht also-bald hinein. Nach straffem Exerzieren der Bataillonsmasse im Stampf-schritt wurde ihre Tüchtigkeit beurteilt. Es blieb ihnen immer noch dieHauptsache, die Entwicklung der Kompagniekolonnen die Bewegungen mitdem auseinandergezogenen Bataillon aber eine Art von Zutat, die nachder heißen vorangegangenen Arbeit wie eine Erholung wirkte. Viel wußteman damit nicht anzufangen.

Da erschien 1863 die Schrift des damaligen Kommandeurs des Lehr-infanteriebataillons, Majors v. Kessel, des berühmten Führers der 1. Garde-infanteriebrigade bei St. Privat Die Ausbildung des preußischen Jnfanterie-bataillons im praktischen Dienst". Dies Buch lehrte, wie man mit demin seine vier Kompagnien zerlegten Bataillon sich drehen und wenden,die Front verändern, es zusammenziehen und wieder zerlegen kurzstramm, geschickt und elegant exerzieren könne. Der Beifall war allgemein;denn die tüchtigen Kommandeure konnten jetzt auch in dieser Form ihreBeherrschung der Truppe, ihre Gewandtheit und Sicherheit im Kommandovor besichtigenden Vorgesetzten zeigen.Durch den Mißbrauch, den die