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V. Die preußische Armeeresorm von 1860
Revuetaktik mit den Kompagniekolonnen trieb, wurde der Brauch der Zer-legung des Bataillons in die Kompagniekolonnen beliebt und allgemein."Im Gefecht fielen dann die unnützen Zutaten und die Schönheitsregelnvon selbst fort und es blieb die Selbständigkeit der Kompagniechefs übrig,der frischesten, tatkräftigsten Männer im Heere, die durchschnittlich zwi-schen dreißig und vierzig Jahren standen.
Am frühesten fiel alles nicht Kriegsgemäße, nicht im Ernstfalle wirklichVerwendbare aus den Truppenübungen beim 3. Armeekorps fort, das seitdem 5. Juli 1860 unter den Befehlen des jugendlichen Prinzen FriedrichKarl stand, eines begeisterten, ernsten Soldaten, dem sein Beruf über allesging. Aus dem Zwiespalt, in den jeden denkenden Soldat das Reglementvon 1847 brachte, weil es befolgt werden mußte, zum größten Teile aberdoch nicht mehr für den Krieg paßte, half er sich durch das eigentümlicheMittel, diejenigen Bewegungen und Formen zu bestimmen, die künftignicht mehr zum Gegenstande der Besichtigung gemacht werden sollten.So verhütete er wenigstens den unnützen Zeitaufwand, der durch müh-same Einübung von praktisch Unanwendbarem entstand.
Mit den Erscheinungen des italienischen Krieges hatte er sich auf dasErnsteste beschäftigt und verwertete das Ergebnis seiner Studien in Vor-trägen vor einem großen Kreise von Offizieren, denen er seine Ansichtenüber Truppenführung, Taktik, Erziehung und Ausbildung darlegte. DieFreiheit des Handelns, unabhängig von jeder Form erkannte er als einengroßen Vorzug in dem Verfahren der Franzosen . „Ein anderer Grund-satz, welcher dem General wie dem gemeinen Soldaten gleich geläufig ist,liegt in der Wahrheit, daß die moralische Kraft der physischen Stärkeüberlegen ist." Nie untätig abwarten, was da kommt, sondern selbst dann,wenn die einfache Verteidigung geboten scheint, zum lebhaften Angriffschreiten, war eine weitere Lehre, die er aus dem Verhalten der Fran-zosen zog. Diesen „Grundsatz der aktiven Verteidigung" glaubte er aufdes Marschalls Bugeand Mahnung zurückführen zu sollen. „Man mußsich bemühen, alles auszubeuten, was die moralische Kraft der Unsrigenheben und die der Gegner schwächen kann. Aus diesem Grunde dars mansich niemals angreifen lassen. Im entscheidenden Augenblick muß manimmer die Initiative ergreifen."
In drei Dingen sah der Prinz die Gewähr, den Franzosen erfolgreichzu widerstehen: in der selbständigen kriegerischen Tätigkeit des einzelnenMannes, in verständnisvoller Führung und in der Freiheit des Handelns.
Daraufhin bildete er sein Armeekorps aus. Den vollen kriegerischenManneswert suchte er in jedem einzelnen Soldaten zu entwickeln. „Der