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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Prinz Friedrich Karls Truppenerziehung

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Mensch, also auch der Soldat, besteht aus drei Teilen: Verstand, Seele,Körper. Verstand sind die geistigen Fähigkeiten, Seele alle moralischen.Kräfte. Durch Verstand und Seele sind wir Herren des Körpers, selbstdann noch, wenn dieser gern versagen möchte. Im Gefecht sind alle drei,der ganze Mensch in Tätigkeit; je höher hinauf in den Rangstufen einerArmee, desto mehr der Verstand, desto weniger der Körper; je weiter hin-unter, desto mehr der Körper, desto weniger der Verstand. Aber dieseelischen Regungen sind durch alle Dienstgrade, einige seltene Naturenausgenommen, in allergrößter Bewegung. Diese Regungen der Seele sinddas Geheimnis, das Gott in die Menschenbrust gelegt hat. In ihnenliegt der Ursprung alles Großen und Edlen, aber auch der Keim allesSchlechten und Gemeinen, was je geschah. Hier wurzelt das religiöseGefühl, dasjenige, was man Herz nennt, Mut und Tapferkeit, Liebe fürKönig und Vaterland (Patriotismus), Anhänglichkeit an die Vorgesetzten,an die Kameraden, an den Truppenteil, Treue, Hingebung, Begeisterung,Wille und Willenskraft, Ehrgefühl und Drang nach Auszeichnung, aberauch das Gegenteil von alledem: Furcht, Granen, Entsetzen und jede schlechteLeidenschaft."

Von diesen Überzeugungen ausgehend, wirkte der Prinz unausgesetzt aufseine Untergebenen ein.Der Soldat muß auf den Standpunkt gebrachtwerden, daß er tapfer ist, weil sein Herz nicht anders kann". Das wardas Ziel seiner Erziehung. Bald gewann er seine Offiziere für diese Er-ziehungsgrundsätze, und eine neue Art der Truppenausbildung, die wahr-haft individuelle Entwicklung des einzelnen Mannes brach sich Bahn. Sieging auf Seele und Gemüt ein und suchte die dort schlummernden Eigen-schaften zu entwickeln. Der Prinz nahm oft an den Übungen seiner Sol-daten persönlich teil. Er stellte sich mit dem Bajonett gut fechtendenUnteroffizieren gegenüber und erkannte freudig an, wenn sie ihm überlegenwaren. Er sprach gern mit den Leuten in Reih und Glied und ging aufdie Eigenarten der Landsmannschaften ein. Bei den Manövern lagerteer mit ihnen unter einfachem niedrigen Zelte, wie sie damals bei derfranzösischen Armee üblich waren. Die Abendstunden wurden am Biwak-feuer zugebracht im Kreise der Offiziere. Oft trat dann der Prinz andie Lagerfeuer der Leute, um deren launigen Manöverkritiken zuzuhören.So schlang sich ein Band der Kameradschaft um ihn und seine Unter-gebenen. Den Ehrgeiz der Bevorzugten wußte er zu heben; den Min-derbegabten Vertrauen zur eigenen Kraft einzuflößen. Des Prinzen Art,mit den Soldaten zu leben, erinnerte an des großen Königs Zeiten, derdas Los der Seinen im jahrelangen Feldleben mit echter Treue geteilt hatte.