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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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204 V. Die preußische Armeeresorm von 1860

Wenn auch des Prinzen Wirksamkeit sich unmittelbar nur auf seinArmeekorps erstreckte, so kam sie mittelbar doch auch weiteren Kreisen imHeere zugute. Die Persönlichkeit des jungen Fürsten, der ganz nur seinemBerufe lebte und sich ihm mit einem Ernste und einer Strenge widmete,wie sie bei Mitgliedern von Herrscherfamilien ungewöhnlich ist, hatte fürdas Offizierkorps des ganzen Heeres etwas Fesselndes. Durch Erzählungenerfuhr man, wie es im 3. Armeekorps herging. Offiziere, die von dortversetzt wurden, berichteten Genaueres und verbreiteten nicht nur den RufFriedrich Karls als Truppenerzieher, sondern auch seine Methode im Heere.Das Beispiel wirkte belebend und anfeuernd.

Der Prinz hatte den Text seines Vortrages dem Prinzregenten undeinigen Freunden vorgelegt. Aus Entgegnungen und teilnehmenden Be-merkungen entstand noch ein Nachwort. Der Inhalt der Schrift ver-breitete sich durch Weitergeben mehr und mehr. Ohne Zutun des Ver-fassers erschien sie eines Tages im Druck und im Buchhandel mit demTitel:Eine militärische Denkschrift von P. F. C." Bald folgte einefranzösische Übersetzung unter dem Titel:I/art, cls eorakatti-ö 1s8 I^anyaiL".Eine Polemik knüpfte sich daran; des Prinzen Name war in aller Mund:die Armee aber hatte den Vorteil davon; ein frischer kräftiger Zug wehtedurch ihre Reihen.

Die Frage:Wie wird es uns gehen?" wenn wir auf die Fran-zosen stoßen, stellte Prinz Friedrich Karl mit voller Offenheit und beant-wortete sie ebenso. Das taten auch viele andere denkende Soldaten, einjeder auf seine Weise,die Geister wurden dadurch aus dem Schlummereines eintönigen Alltagslebens erweckt", undein Strom militärischerIntelligenz wurde frei". Der Prinz hatte das Geheimnis des Siegeshauptsächlich in der Entwicklung der moralischen Eigenschaften des Sol-daten gesucht, sowie in der Selbständigkeit und Freiheit des Handelns,in der Anwendung der Vorschriften und Regeln nach ihrem Sinne, nichtnach dem Wortlaut.

Ein glänzend verlaufendes Königsmanöver im Jahre 1863 bei Lebusa . O.brachte dem Prinzen den ersten Lohn für seine Arbeit. Ein schönerer wardihm, als ihm sein Nachfolger, General v. Alvensleben, ihm nach der Schlachtvon Spichern die bewundernden Worte schrieb:Welch' ein Korps habenEuere Königliche Hoheit herangebildet!" Seine Tätigkeit und sein Ver-ständnis umfaßten die Infanterie und Kavallerie in gleicher Weise; etwasferner stand ihm die Artillerie. Aber auch sie beeinflußte er in großenZügen. Die Waffengattungen gewannen daher ziemlich gleichmäßig durchseine Tätigkeit,