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Die Stimmung in Frankreich drängte seit dem Prager Frieden ent-schieden auf den Krieg, ohne daß ein greifbarer Grund dazu vorgelegenhätte. Das Volk empfand Preußens Siege wie eine Anmaßung, ja als einefranzösische Niederlage. Gewöhnt an den Gedanken, durch seinen Kaiserdie politischen Geschicke Europas bestimmt zu sehen, gepeinigt von dem ge-heimen Gefühl, daß diese Vormachtstellung nicht mehr sicher sei, nährte eseinen wachsenden Groll gegen den kräftig emporstrebenden Nachbar amRhein . Daß die Ereignisse von 1866 hatten vorübergehen können, ohnedaß es Napoleon III. gelungen war, irgendeinen Vorteil für Frankreich zu erzwingen, beleidigte den französischen Nationalstolz. Völker unterliegendenselben Regungen wie einzelne Personen. Die Eifersucht machte sichmächtig fühlbar, die Sorge kam hinzu, daß Preußen nach seinem Erfolgevon Eroberung zu Eroberung schreiten werde. Der Kaiser aber sah seinenThron schwanken. Das verunglückte mexikanische Abenteuer hatte seinem An-sehen, das 1859 im Zenith gestanden, den ersten empfindlichen Stoß gegeben.Die Abweisung von seiten Italiens, die diplomatische Übervorteilung durchPreußen 1866 überzeugten die Welt, daß er der Mann nicht sei, für denman ihn zeitweise gehalten hatte. Im eigenen Lande wurde die Kritik schärfer.Man fand es unbegreiflich, daß ein französischer Monarch es ruhig ge-schehen ließ, daß das einst tief unter Frankreichs Machtniveau herunter-gedrückte Deutschland sich wieder erhob und gefährlich werden durfte. DerKaiser erschien dem Volke als der Geprellte; der Spott mischte sich demTadel bei. Eine Wiederherstellung seiner Autorität nach außen hin warnotwendig, wenn er sie im Innern wahren und seine Dynastie in Frank-reich erhalten wollte.
Wer im großen nichts verrichtet, fängt es gern im kleinen an. DieGelegenheit bot sich schnell dar. Mit der Auflösung des Deutschen Bun-des war die staatsrechtliche Stellung des Großherzogtums Luxemburgzweifelhaft geworden. Es gehörte weder dem Norddeutschen Bunde an,noch dem süddeutschen Staatensystem. Preußen hielt von früher her eineBesatzung in der Festung Luxemburg, ohne ein unzweifelhaftes Recht dazuzu haben. Der Großherzog — König von Holland — erhob jedoch keinenEinspruch dagegen. Anders wurde die Lage, als Napoleon III. mit ihmin Verhandlungen wegen Abtretung des nur durch Personalunion mitHolland verbundenen Ländchens trat. Preußen hätte beim Abschlußden Platz räumen müssen, Frankreich ihn besetzen dürfen, was einer Be-drohung gleich kam. Dagegen erhob sich in Norddeutschland die öffent-liche Meinung. Der Krieg schien schon jetzt vor der Tür zu stehen.Selbst Moltke war für den Losbruch. Er hielt den Kampf innerhalb der