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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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Umwandlung der Landesverteidigung

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wurde. Große Waffenplätze entstanden, deren Kern eine Stadtumwallung,und deren Hauptkampflinie ein davorgelegener Ring von Forts bildete.Das Beispiel dafür war Paris , dessen langer Widerstand zu den uner-wartetsten Erscheinungen des Krieges gehört hatte. Die neue Westgrenzezu sichern, gebot die politische Vorsicht. So entstand dort die große Lager-festung Straßburg, während bei Metz das von den Franzosen Begonnenevollendet und weiter ausgebaut wurde. Nach und nach erhielten auchKöln und die Festungen an der Ostgrenze ihre Fortsgürtel.

Einfacher als die Umwandlung in Kampfweise und Bewaffnung vollzogsich die der Wehrverfassung. Die Grundbestimmungen über das Kriegs-wesen des Norddeutschen Bundes ließen sich fast unverändert auf dasHeer des Deutschen Reiches übertragen. Am 21. März 1871 versammeltesich der erste Deutsche Reichstag und schon am 14. April gelangte derihm vorgelegte Verfassungsentwurf zur fast einstimmigen Annahme. Diedeutsche Wehrmacht bildete fortan ein einheitliches Heer, das unter demOberbefehl des deutschen Kaisers steht, und dessen Lasten von allen Bundes-staaten gleichmäßig zu tragen sind. Die Friedenspräsenzstärke wurde auf1 vom 100 der Bevölkerung des Jahres 1867, d. h. damals also aufetwas mehr als 400000 Mann festgestellt. Sie sollte für die nachfolgendeZeit aber im Wege der Reichsgesetzgebnng bestimmt werden. Einige Son-derrechte, die aus den Bündnisverträgen und Militärkonventionen her-stammten, blieben Bayern und Württemberg vorbehalten, doch waren sieohne sonderliche Bedeutung für Einheit und Schlagfertigkeit des Heeres.Die preußische Militärgesetzgebung kam ungesäumt allgemein zur An-wendung.

Schärfer noch als in der Landmacht ward die Einheit in der Marinebetont, die aus den geringen Anfängen der preußischen Flotte für dasReich völlig neu zu schaffen war. Für sie sprach die Reichsverfassung inihrem Artikel 53 aus:Die Kriegsmarine des Reichs ist eine einheitlicheunter dem Oberbefehl des Kaisers". Ihre Ergänzung sollte aus der ge-samten seemännischen Bevölkerung des Reichs erfolgen, und die für sievon jedem Staate gestellten Mannschaften auf die Gestellung zum Land-heere angerechnet werden. Zur Bestreitung der Kosten für die Wehrmachtbewilligte der Reichstag, wie es bisher in Preußen der Fall gewesen war,ein nach der Kopfstärke berechnetes Pauschquantum, dessen Gültigkeit biszum Ende des Jahres 1874 ausgedehnt wurde. Diese einfache Maßnahmehatte für die Verwaltung zahlreiche Vorteile, doch war der auf den Kopfbewilligte Satz zu gering bemessen, und die nicht vorauszusehende Steige-rung aller Preise nötigte schon 1872 zu einer nicht unerheblichen Ver-