Print 
2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
Place and Date of Creation
Page
604
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 
  

604

IX. Das Deutsche Reich und seine Wehrmacht

ringerung der Stärke des Friedensstandes. Die Besorgnis konnte dahernicht von der Hand gewiesen werden, daß Ersparnisrücksichten dieselbenverhängnisvollen Folgen für das deutsche Heer würden haben können, wienach 1815 für das preußische. Nach langen Debatten kam am 2. Mai1874 ein Reichsmilitärgesetz zustande, das die Friedenspräsenzstärke desHeeres auf 17 213 Offiziere, 401659 Mann, 96942 Pferde feststelltedem Wunsche der Regierung entsprechend auf die Dauer von 7 Jahren.Zugleich ward der Heereshaushalt im einzelnen festgestellt.

Auf dem Kriegsfuße sollte dies Heer alles in allem 1445 318 Mannmit 329164 Pferden zählen.

Bei dem großen materiellen Aufschwünge, den Deutschland nach demKriege in jeder Hinsicht nahm, den vielen technischen Neuerungen, die fort-dauernde Verbesserungen in Bewaffnung und Ausrüstung erheischten, demSinken des Geldwertes steigerten sich die Schwierigkeiten für die Kriegs-verwaltung von Jahr zu Jahr. Die reißende Zunahme der Bevölkerungdrängte dabei zur Heeresvermehrung, wenn man dem Gedanken der all-gemeinen Wehrpflicht nicht untreu werden wollte. Auch die politische Lageerforderte eine Verstärkung. Der dem russisch -türkischen Kriege von 1877und 1878 folgende Berliner Kongreß führte zu einer Erkaltung des Ver-hältnisfes mit Rußland . Freilich fand Bismarck durch den Abschluß desSchutz- und Trutzbündnisses mit Österreich , das seine weise schonendePolitik von Nikolsburg seit zwölf Jahren vorbereitet hatte, einen Aus-gleich. Aber der Gedanke eines Krieges mit zwei Fronten gewann den-noch deutlichere Gestalt, und die Rechnung auf Freundeshilfe ist nichtgenügend.Ein großer Staat besteht nur durch sich selbst und auseigener Kraft; er erfüllt den Zweck seines Daseins nur, wenn er ent-schlossen und gerüstet ist, sein Dasein, seine Freiheit nnd sein Recht zubehaupten, und ein Land wehrlos zu lassen, wäre das größte Verbrechenseiner Regierung." So kam es denn durch Gesetz vom 6. Mai 1830 zueiner Erhöhung des Friedensstandes um 25 615 Mann und seiner Fest-setzung auf abermals 7 Jahre. Am 11. März 1887 machte Frankreichs drohende Haltung und vermehrte Rüstung, die auf nahen Krieg deuteteeine zweite Erhöhung des Friedensstandes auf 468409 Mann notwendig.

Den technischen Fortschritten wurden durch Neubewaffnung der Infan-terie mit dem ersten Paketlader, einem Gewehr von kleinem Kaliber undgroßer Anfangsgeschwindigkeit, Rechnung getragen. Die Kavallerie erhielallgemein einen Karabiner der gleichen Konstruktion, und ein wichtigerSchritt geschah für die Ausbildung der Truppeneinheiten durch die ersteAnlage von Truppenübungsplätzen, bei denen den großen Schußweiten