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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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IX. Das Deutsche Reich und seine Wehrmacht

anders als ehedem, entwickelte auch die Fähigkeit, sich jeder Bodenfalte, jedenSteines und Busches zur Annäherung an den Feind zu bedienen, da der Ver-teidiger sie zu seinem Schutze gleichfalls benutzte. Die englische Infanteriefocht im Burenkriege, wie ein weit verbreitetes Wort es nannte:gegenfeuernde Steinblöcke". Wir werden im nächsten Kriege gegen feuernde Dorf-,Wald- und Höhenränder zu fechten haben. Da der Angriff immer schwierigerwurde, stellte er auch höhere Anforderungen an Umsicht und Entschlossen-heit. Im Überwinden von Hindernissen mußten sich alle drei Waffenaufs sorgfältigste vorbereiten. Auch im Feldkriege findet der Angreiferheute Drahtgewirre und Minen vor sich, wie man sie nur im Festungs-kriege kannte. Maschinengewehre, Handgranaten mit zehnfach gestei-gerter Wirkung aus dem alten Kriegshausrat wieder hervorgeholtPanzerschilde, elektrische Scheinwerfer verstärkten den Verteidiger, dienenaber zugleich dem Gegner beim Angriff. Im Leiterersteigen, im Über-klettern von Mauern, im Durchschwimmen oder schnellen Überbrücken vontiefen Gewässern, im Forträumen aller Art von toten Abwehrmitteln mußtejede Truppe ausgebildet werden, wenn sie Anspruch auf Selbständigkeitmachen will. Jede wurde stolz darauf, sich durch nichts aufhalten zulassen, auch wenn ihr die früher in diesen Dingen allein geübten Pionierenicht zur Seite standen. Die erfreulichsten Fortschritte sind darin gemachtworden. Wir wissen, daß noch im August 1870 die Kavalleriedivision derI. Armee, die nordwärts um Metz herumgreifen sollte, während PrinzFriedrich Karls Reiterei dies weiter südlich tat, sich durch die Moselaufhalten ließ. Heute scheut ein gutes Reiterregiment die größtenStröme der Norddeutschen Tiefebene, Weichsel, Oder, Elbe und Rhein nicht mehr.

Bei der Schwierigkeit der Annäherung an den Feind wird die Beweg-lichkeit der Truppen von doppelter Bedeutung. Systematische Übung hatihre Marschfähigkeit gerade im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhundertsganz außergewöhnlich gehoben. Der kriegsgemäße Verlauf der heutigengroßen Kaisermanöver, wo Heer gegen Heer ficht und kein Signal, sondernnur noch der Entschluß der Führer die Handlung unterbricht, die Kriegs-tätigkeit auch Tag und Nacht fortdauert, hat viel dazu beigetragen, diesenwichtigen Dienstzweig aufs höchste zu steigern. Die Entwickelung derPersönlichkeit in jedem Soldaten wurde Hauptgegenstand der Ausbildung,allem Geschwätz von Gamaschendienst und Zopfgeist zum Trotz. DieVorbereitung der Jugend des Volks für den Heeresdienst begann etwagleichzeitig mit der neuen Bewegung in der Armee und ist zu derenunerläßlicher Ergänzung notwendig geworden. Die Belebung des Sports,