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Was sind und was sollen die Zahlen? / Richard Dedekind
Entstehung
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Vorwort zur ersten Auflage.

Was beweisbar ist, soll in der Wissenschaft nicht ohne Beweisgeglaubt werden. So einleuchtend diese Forderung erscheint, so istsie doch, wie ich glaube, selbst bei der Begründung der einfachstenWissenschaft, nämlich desjenigen Theiles der Logik, welcher die Lehrevon den Zahlen behandelt, anch nach den neuesten Darstellungen")noch keineswegs als erfüllt anzusehen. Juden? ich die Arithmetik(Algebra, Analhsis) nur einen Theil der Logik nenne, spreche ichschon ans, daß ich den Zahlbegriff für gänzlich unabhängig von denBorstellnngen oder Anschauungen des Raumes uud der Zeit, daß ichihn vielmehr für einen unmittelbaren Ausfluß der reinen Denkgesetzehalte. Meine Hauptantwort auf die im Titel dieser Schrift gestellteFrage lautet: die Zahlen sind freie Schöpfnngen des menschlichenGeistes, sie dienen als ein Mittel, um die Berschiedenheit der Dingeleichter und schärfer aufzufassen. Durch den rein logischen Aufbau derZahlen-Wissenschaft nnd durch das in ihr gewonnene stetige Zahlen-Reich sind wir erst in den Stand gesetzt, unsere Vorstellungen vonRanm nnd Zeit genau zn untersuchen, indem wir dieselben ans dieses

Von den mir bekannt gewordenen Schriften erwähne ich das verdienstvolle Lehrbuch der Arithmetik und Algebra von E. Schröder (Leipzig , 1873),in welche»! man anch ein Literaturverzeichnis findet, und außerdem die Ab-handlungen von Kronecker und von Helinholh über deu Zahlbcgriff und überWählen nnd Messen (in der Sainnilnng der an E, Zcllcr gerichteten philoso-phischen Aufsätze, Leipzig 1887). Das Erscheinen dicfer Abhandlungen ist dieBcranlajsnng, welche mich bewogen hat, nun anch mit meiner, in mancherBeziehung ähnlichen, aber durch ihre Bcgrnndnng doch wesentlich verschiedenenAuffassung hervorzutreten, die ich mir seit vielen Jahren nnd ohne jede Be-einflussung von irgend welcher Seite gebildet habe.