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vertraute Freunde durch das ganze Leben begleitet habeil, kaum wieder-erkennen mag; er wird durch die lange, der Beschaffenheit unseresTreppen-Verstandes entsprechende Reihe von einfachen Schlüssen, durchdie nüchterne Zergliederung der Gedankenreihen, auf denen die Ge-setze der Zahlen beruhen, abgeschreckt und ungeduldig darüber werden.Beweise für Wahrheiten verfolgen zu sollen, die ihm nach seiner ver-meintlichen inneren Anschauung von vornherein einleuchtend und gewißerscheinen. Ich erblicke dagegen gerade in der Möglichkeit, solcheWahrheiten auf andere, einfachere zurückzuführen, mag die Reihe derSchlüsfe noch fo lang und scheinbar künstlich sein, einen überzeugendenBeweis dafür, daß ihr Besitz oder der Glaube an sie niemals un-mittelbar durch innere Anschauung gegeben, sondern immer mir durcheiue mehr oder weiliger vollständige Wiederholung der einzelnen Schlüsseerworben ist. Ich möchte diese, der Schnelligkeit ihrer Allsführungwegen schwer zn verfolgende Denkthätigkeit mit derjenigen vergleichen,welche ein vollkommen geübter Leser beim Lesen verrichtet; auch diesesLesen bleibt immer eine mehr oder weniger vollständige Wiederholungder einzelnen Schritte, welche der Ansänger bei dem mühseligen Buch-stabircn auszuführen hat; ein sehr kleiner Theil derselben, lind deshalbeine sehr kleine Arbeit oder Anstrengung des Geistes reicht aber für dengeübten Leser schon aus, um das richtige, wahre Wort zu erkennen,freilich mir mit sehr großer Wahrscheinlichkeit; denn bekanntlich be-gegnet es anch dem geübtesten Corrector von Zeit zu Zeit, einenDruckfehler steheil zu lassen, d.h. falsch zu lesen, was »nmöglich wäre,wenn die zum Buchstabireu gehörige Gedankenkette vollständig wieder-holt würde. So sind ivir auch schon von unserer Geburt an beständigund in immer steigendem Maße veranlaßt, Dinge auf Dinge znbeziehen lind damit diejenige Fähigkeit des Geistes zu üben, aus welcheranch die Schöpfnng der Zahlen beruht; durch diese schon in unsereersten Lebensjahre fallende unablässige, wenn auch absichtslose Uebuugund die damit verbundene Bildung von Urtheilen und Schlußreihenerwerben wir uns auch einen Schatz von eigentlich arithmetischenWahrheiteil, auf welche später unsere ersten Lehrer sich wie aus etwasEinfaches, Selbstverständliches, in der inneren Anschauung Gegebenes