Aufgaben und Organisation der sozialenGesetzgebung.
Die Arbeiterfrage drängt sich immer mehr in das Gebiet derGesetzgebung, ja wir möchten sagen in den Vordergrund derselben.Dieses Eintreten datirt allerdings nicht erst vom Beginn der neuensozialen Reformperiode, als deren Ausgangspunkt wir die KaiserlicheBotschaft vom 17. November 1881 anzusehen haben. Unsere deutscheGewerbeordnung unternahm es bereits in humanem Sinne in dieArbeiter- und Arbeitsverhältnisse einzugreifen und vorsichtig den Bodenfür ein weiteres Fortschreiten zu ebnen. Die neue Aera dagegen kenn-zeichnet sich durch ein kühnes Eingreifen in ganz neue, außerhalb desRahmens der Gewerbeordnung wie des Obligationsrechtes liegendeGebiete, die bisher noch kein Staat zu betreten gewagt hatte. Wirmöchten in dieser Beziehung unsere Zeit als die „Aera der Humani-tären Gesetzgebung" bezeichnen. Die Krankenversicherung eröffneteden Reigen, die Unfallversicherung folgte, die Alters- und Invaliden-versicherung ist soeben unter Dach gebracht und die unabweisbar sichdaran knüpfende Wittwen- und Waisenversicherung wird folgen.Eine reichsgesetzliche Regelung des Armenwesens dürfte endlich denSchlußstein dieses großartigen Gesetzgebungswerkes zu bilden haben.Wohl waren schwere soziale und politische Bedenken zu überwinden,ob man alle diese bisher der Freiwilligkeit oder Selbsthülfe über-lassenen Aufgaben so ungeheuren Umfangs in das Gebiet der Gesetz-gebung und damit des Zwanges einbeziehen solle; Wohl bestandenauch in weitesten Kreisen Zweifel an der finanziellen Lösbarkeit dieserAufgaben. Allein alle diese und andere Bedenken haben daS sieg-
Occhelhaeilser, Taqcssragen. 2. Aufl. 1