Egoismus und Humanität.
In einer Unterredung mit einem Führer der sozialdemokratischenPartei über die praktische Durchführbarkeit der Cooperativ-Genossen-schaften, begegnete dieser dem Einwand, „daß die hierdurch bedingteHingabe des Einzelnen an die Gesammtheit mit der dem Menschenangeborenen und insbesondere auf materiellem Gebiet allmächtigenSelbstsucht (Egoismus) in unlösbarem Widerspruch stehe," mit denWorten: „der Egoismus müßte allerdings vorher in den Einzelnendurch die Erziehung ertödtet werden." Eine großartige Idee undbezeichnend zugleich für die Einbildungen, auf die sich das sozial-demokratische Zukunftsreich aufbaut. Dem Menschen durch die Er-ziehung den Geschlechtstrieb abgewöhnen zu wollen, wäre wohl gleichaussichtsreich, wie die Entwöhnung vom Egoismus. Sicherlich sollweder die Aufgabe noch die Wirksamkeit der Erziehung für die Bän-digung des nackten Egoismus, für die gesteigerte Hingabe des Ein-zelnen an das Allgemeine in Abrede gestellt werden. Allein dieseBemühungen versprechen nur dann Erfolg, wenn sie den Egoismus— wir brauchen hier dies Wort von der ihm durch den Sprach-gebrauch angehängten häßlichen Nebenbedeutung entkleidet, — in dierichtigen Schranken zu leiten, nicht wenn sie ihn prinzipiell zu be-kämpfen oder gar zu vernichten unternehmen. Derjenige Egoismus,welcher seine Stellung in der realen wie sittlichen Welt richtig auf-zufassen weiß, ist der berechtigste aller menschlichen Triebe, ja derVater alles Fortschritts. Wie Freiheit sich von der Willkür durchdie Achtung der Freiheit des Andern unterscheidet, so scheidet sichauch der berechtigte von dem blinden Egoismus durch das Aner-kenntnis^ nnd die Berücksichtigung der gleichberechtigten egoistischenBestrebungen des Andern.
Wir würden die Sache, die wir vertreten, geradezu sür aus-sichtslos, unsere Bestrebungen für Windmühlengefechte halten, wennwir den fozialeu Frieden auf den Trümmern des berechtigten Egois-mus aufbauen, wenn wir insbesondere dem Arbeitgeber nur materielleund moralische Opfer ohne Ersatz zumutheu wollten. Gewiß löstder Egoismus allein die soziale Frage nicht, wie denn überhaupt