— 33 -
Arbeitslohn und Unternehmergewinn.
Wir haben in allen Besprechungen der sozialen Fragen betont,daß die Lösungen nicht bloß auf materiellem, sondern auch auf ideellemGebiete gesucht werden müssen, daß der Arbeiter uicht bloß Besserungseiner Lage, d. h. Erhöhung seiner Einnahmen, souderu auch Hebungder sozialen Stellung deS gesammtcn Arbeiterstandes erstrebt. Beidessind Bestrebungen, die dem Kurzsichtigen, dem Egoisten, Mißbehage»verursache» mögen, deren inuere Berechtigung aber, so lauge sich dieAnsprüche in den Schranken des Erreichbaren und in ihrer Geltend-machung in deu Schranken des Friedens und der Ordnung bewegen,unmöglich vou deujcuigen verkannt werden kann, welchen die Besserungder sozialen Verhältnisse aufrichtig am Herzen liegt, uud die ihr auchOpfer zn bringen und Vornrtheilen zn entsagen entschlossen sind.
Wir wollen uns hier eiumal ausschließlich mit der materiellenSeite der sozialen Frage beschäftigen und insbesondere untersuchen,in welchem Verhältniß Arbeitslöhne uud Unternehmergewinn zu ein-ander stehen, uud ob der Conflikt zwischen beiden Faktoren der wirth-schaftlichen Produktion lösbar ist. Die Sozialdcmokratie verneintdies und verfährt von ihrem Standpunkt aus gauz folgerecht, wennsie in ihren Cooperativgenossenschaften überhaupt den wirthschaft-lichen und sozialen Unterschied zwischen Arbeitgeber uud Arbeiteraufhebt, also Lohu und Unteruehmergewinu verschmilzt. Wir, die aufdem Boden der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung stehen, könnenuns allerdings zu so radikalen Lösungen nicht verstehen, und um soweniger, wenn sich nachweisen läßt, daß der Conflikt zwischen Lohnund Unternehmcrgewinn lösbar ist. Unser Standpunkt, der keinegewaltsamen Umwälzungen kennt, bedingt allerdings eine Ein-schränkung der Forderungen der Arbeiter an den jeweiligen Grenzender Gewährungsnwglichkeit Seitens der Arbeitgeber. Diese Grenzensind aber durchaus nicht als etwas dauernd Feststehendes zu betrachten,gleichsam als köune ein Arbeiter in einem gewissen Geschäftszweiguur bis zu einer gewissen Lohnhöhe gelangen, wenu der Arbeitgebernicht seinen Unternehmergewinn opfern will.
Occhelbaeuser, Tagessragc». 2. Aufl. g