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Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
Entstehung
Seite
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materieller Opferwilligkeit mit den unberechenbaren Faktoren despersönlichen Verhaltens des Arbeitgebers zu erreichen, ohne daß manim Stande ist, die dadurch erhöhte Gegenleistung der Arbeiter in be-stimmte Zahlen zu fassen.

Kein größerer Irrthum überdies, als wenn man glaubt, daßmenschenfreundliche Fortschritte stets materielle Opfer Seitens desArbeitgebers bedingten. Man dürfte eher behaupten, daß in demVerhältniß des Arbeitgebers zum Arbeiter die idealen Leistungen desWohlwollens, der menschlichen Theilnahme machtiger wirken, alsmaterielle Opfer. Die Fälle, wo das schönste Verhältniß herrscht,ohne daß der Arbeitgeber im Stande ist, über mäßige Lohnzahlungenhinaus, noch irgend bedeutende Geldopfer zu briugen, sind mindestensebenso häufig, als die Fälle, wo trotz guter Löhne und vollendeterWohlfahrtseinrichtungen ein kaltes oder Mr schlechtes Verhältnißherrscht. Alles das, was die Arbeiter vorzugsweise anhänglich unddankbar macht, kostet dem Arbeitgeber am wenigsten, während diekostspieligsten Einrichtungen sogar häufig dem Verdacht anheimfallen,als seien sie lediglich der Berechnung entsprungen, oder durch diegeschäftlichen Nothwendigkeiten geboten gewesen. Es wäre schonunendlich viel für die Besserung der sozialen Verhältnisse geschehen,wenn jeder Arbeitgeber nur das thun wollte, was fein eigenes richtigerkanntes Interesse fordert, oder doch gestattet.

Wir wiederholen es also: der Egoismus alleiu löst mit seinenZahlen und Formeln die sozialen Fragen nicht; Ziel und Wege mußdie Humanität zeigen. Wohl aber liegen viele Aufgaben vor, wobeiein aufgeklärter Egoismus sich geradezu in den Dienst der Mensch-lichkeit stellen läßt, und andere, wobei die indirekten Vortheile ausmenschenfreundlichen Maßregeln die zu diesem Behus gebrachtenOpfer mindestens anfwiegen, oder materielle Opfer überhaupt garnicht in Frage kommen. Ein aufgeklärter Egoismus und die Huma-nität laufen viel weiter parallel, als es bei oberflächlicher oder eng-herziger Betrachtung den Anschein hat. Der wahrhaft edle Menschaber findet seinen Weg auch darüber hinaus in die Regionen, wodie Rechenkunst aufhört, wo man das Gute nm seiner selbstwillen thut.