Druckschrift 
Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
Entstehung
Seite
10
Einzelbild herunterladen
 

10

die Gesetzgeber unserer Tage. Thuen wir, was heute gut und zweck-mäßig erscheint und überlassen ruhig den zukünftigen Geschlechterndie Bestimmung derjenigen Aufgaben, welche sie dem Staate undwelche sie der Freiwilligkeit zur Lösung überweisen werden. Diesedoktrinäre Sorge soll uns also hier nicht beschäftigen, wohl aber dieFrage, ob auf dem hier in Rede stehenden Gebiet allgemeingesetzliche Bestimmungen, ohue fortgesetzte organische Ver-bindung mit der freiwilligen Humanität, jemals ihre Ziele ^vollständig erreichen können. Wir verneinen dies entschiedenund begeben uns zmn Beweis gleich auf den Boden der bereits er-wähnten Kranken- und Unfallversicherungsgesetze.

Es liegt in der Natur jeder derartigen, durch Gesetz geregeltenOrganisation, daß sie die Berechtigungen und Verpflichtuugeu grund-sätzlich feststellt und jede Willkür in der Anwendung dieser Grund-sätze auf die eiuzelueu Fälle nach Möglichkeit ausschließt. So be-stimmen die erwähnten Gesetze, wer zum Empfaug von Entschädigungenberechtigt ist, in welchen Fällen und in welcher Höhe sie zu gewährensind, wer die Lasten zu tragen hat nnd in welchen Beträgen u. s. w.Kein Verwaltungsorgan und keine Beschwerdeinstanz kann hieran «H»etwas ändern. Schon diese Betrachtung zeigt die Unzulänglichkeitjedes Gesetzes für die vollständige Erfüllung humanitärer Auf-gaben. Denn die vom Gesetz anerkannten Nothlagen, denen ab-geholfen, und die vom Gesetz festgestellten Entschädigungen, die ge-währt werden sollen, beruhen wohl auf bestimmten Annahmen,welche der Erfahrung entnommen sind und durchschnitt lichen Ver-hältnissen, unmöglich aber der unendlichen Verschiedenheit der ein-zelnen Fälle Rechnung tragen können. Die gesetzlich anerkannteNoth nnd die wirklich im einzelnen Fall hervortretendeNoth werden sich niemals decken, weder im Umfang, noch imMaß. Da aber nun der gesetzliche Organismus bestimmter Schranken ^und mechanischer Regeln nicht entbehren kann, ohne zu willkürlichenBelastungen oder ungemessenen Ansprüchen zu sichren, so folgt hieraus,daß dieser OraauiSmus durch Einrichtungen ergänztwerden mnß, welche eine freiere Bewegung gestatten, umder Noth iu ihrem wirklich im einzelnen Fall hervortretenden Maßund Umfang, und uicht bloß innerhalb der gesetzlichen Schranken