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Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
Entstehung
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wird insbesondere so mächtig und mannigfach vom Arbeit-geber selbst zur Hebung und Besserung seiner Verhält-nisse benutzt, daß eS nicht bloß ungerecht, sondern geradezu kurz-sichtig erscheint, weun man prinzipiell gegen die Verbindungengerade des Standes auftreten wollte, der, weil er der unterste aufder gesellschaftlichen Leiter ist, unbedingt doch die stärkste Ver-anlassung hat, sich dieses mächtigen Hebels zu seinen Gnnsten zu be-dienen. Unsere Gesetzgebung hat dieS auch anerkannt und alle Be-schränkungen, die früher den Arbeiterverbindnngen entgegen standen,hinweggeräumt. Au diesem Grundsatz muß der Staat unverbrüch-lich festhalten und darf insbesondere auch deshalb nicht mit polizei-lichen Maßregeln einschreiten, weil es vielfach fozialdemokratischeArbeiter sind, die sich deS Koalitionsrechts zur Erreichung bessererArbeitsbedingungen bedienen. Ob die Arbeiter-Koalitionen also demArbeitgeber überhaupt sympathisch sind, oder nicht, das kann hier garnicht in Frage kommen; die Arbeiterverbindungen sind in sichgerechtfertigt, sie siud gesetzlich gestattet, sie bestehen undsie werden sich weiter entwickeln, das sind Thatsachen , mitdenen gerechnet werden muß, und an denen nichts geändert wird,wenn auch noch so viele Arbeitgeber alle Arbeiter-Koalitionen über-haupt znm Teufel wünschen, oder die früheren gesetzlichen Verbotewieder aufleben lassen möchten, welche die Arbeiterverbindnngen,gleichviel was ihr Zweck oder Ziel war, als staatsgefährlich er-achteten.

Das Vorurtheil gegen die Arbeiter-Koalitionen führt sich imPrinzip auf eiu Verkennen der sozialen Gleichberechtigung desArbeiterstaudes zurück, ist also wesentlich aristokratischer Natur.Der Arbeiter soll schweigend gehorchen und zufrieden sein mit dem,waS der Arbeitgeber ihm giebt; das ist die Quintessenz der An-schauungen, denen auch heute noch ein so großer Theil der Arbeit-geber huldigt, ohne daß ihnen deßhalb nothwendig Inhumanitätvorgeworfen werden müßte. Viele der schroffsten industriellen Auto-kraten sind gerade die wohlthätigsten; allein sie verkennen den Geistder Zeit, welcher den Arbeiter, und das was er für seine Dienstefordert, als vollkommen gleichberechtigt anerkennt mit dem Arbeit-geber und dem, waS er für jene Dienstleistungen bietet. Man kann