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Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
Entstehung
Seite
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darin zu erkennen, daß das Kapital sich stärker vom Arbeitsmarktzurückgezogen nnd mehr der Anlage in Fonds, sowie der Spekulationzugewandt hat; der Kapitalist will sich lieber mit geringeren Zinsenbegnügen, als mit den Arbeitern hernm argern. Aus jenen Ver-hältnissen ist eS auch zu begreisen, ja als Nothwehr zu rechtfertigen,wenn manche besonders bedrohte Arbeitgeber damals jeden Sozial-demokraten ohne Unterschied aus der Arbeit entließen. Nnu liegenauch heute in dieser Beziehung die Verhältnisse zwischen Arbeiter undArbeitgeber uoch sehr verschieden, je nachdem die Arbeiter sich in denMittelpunkten der sozialdcmokratischen Bewegung oder fern davonbefinden, je nachdem ein Erwerbszweig eine, festere oder losere Ver-bindung des Arbeiters mit dem Arbeitgeber bedingt uud welche Ein-wirkung verschiedenster Natur sonst obwalten mögen. Allein eshieße doch das Auge gegen die offenkundigen Thatsachen verschließen,wenn der Arbeitgeber sich gegenwärtig noch bezüglich der sozialdcmo-kratischcu Arbeiter deu pessimistischen Anschauungen aus den siebzigerJahren hingebeu, wenn er die in dem Arbeiterstand im Allge-meinen eingetretene Beruhigung verkennen, wenn er heuteuoch Mittel anwenden wollte, die nur der Kriegszustandrechtfertigen kounte.

Es würde uns hier zu weit führen, wenn wir näher untersuchenwollten, ob dem Sozialistengesetz, dem mildernden Einfluß der Zeit,der Erfolglosigkeit deS bisherigen sozialdemokratischen Aufwandes anZeit, Kraft und Geld, der sozialen Gesetzgebung, der fortschreitendenHumanität der Arbeitgeber u. s. w., jeue bessere, wenn auch keinen-sallS noch gute Stimmung iu den Arbeiterkreisen vorzugsweise zuzu-schreiben sein dürfte. Unstreitig haben alle diese, und im Einzelsallenoch viele andere Ursachen zusammengewirkt. Lassen wir dies hierbei Seite und halten wir uns nur an die erfreuliche Thatsache dereingetretenen Besserung, welche es dem Arbeitgeber jetzt ermöglicht,den Kampf gegen die sozialdemokratischen Arbeiter mit ganz anderenWaffen zu führen, als vor einem Dezennium im Stande der Noth-wehr, nämlich mit Waffen des Friedens.

Die Bekämpfung der sozialdemokratischen Lehre und ihrerFührer liegt allerdings auf einem ganz andern Gebiet, auf dem derKriegszustaud Seitens des Staats, der Gesellschaft und der Wissen-